Würmer durch Rohfütterung? Wie hoch das Risiko wirklich ist und was Du dazu wissen solltest

Würmer Wurmbefall BARFen

„Hunde (und Katzen) bekommen durch rohes Fleisch Würmer!“ Eines der beliebtesten Argumente gegen Rohfütterung.
Und ich würde darauf wetten, dass die allermeisten von euch, die roh füttern, diesen Satz schon einmal gehört haben. Und zwar nicht nur die Preyer unter euch. 😉

Mythen sind schwer aufzulösen, ich weiß.

Aber das soll uns nicht hindern, zusammen ein paar Fakten zusammenzutragen und unter die Lupe zu nehmen, um zu schauen, wie ernst man diese Aussage nehmen muss.

Um welche Würmer geht es?

Am häufigsten kommen Infektionen mit Spul-, Bandwurm- , oder (schon deutlich weniger) Hakenwürmern bei Hunden und Katzen vor.

Würmer haben wie viele Parasiten teilweise relativ komplexe Entwicklungs-Zyklen, die vom Ei bis zum ausgewachsenen Wurm alle durchlaufen werden müssen.

(Zum Teil ist es wirklich unglaublich spannend, mit welchen Tricks die Natur arbeitet. Der kleine Leberegel z.B. benötigt für die Entwicklung seiner Larven gleich zwei Zwischenwirte, um in den Endwirt zu gelangen. Als Zwischenwirte dienen zuerst Schnecken, die nach dem Befall Schleimbällchen mit den Larven des Egels absondern. Diese werden von Ameisen gefressen und beeinflussen das Nervensystem der Ameisen derart, dass sie quasi ferngesteuert auf hohe Grashalme und Blüten klettern und sich dort durch einen Krampf festbeissen. So können sie sehr einfach vom Endwirt wie Wildtieren aufgenommen werden und schwupps – ist die Larve im Endwirt und kann sich dort zum fertigen Egel entwickeln. Schon irre, oder? Aber zurück zu den Würmern.)

Auf diese Entwicklungszyklen sollte man einen kurzen Blick werfen, wenn man abschätzen möchte, wie hoch die Infektion mit Würmern durch rohes Fleisch ist.
Beim Bandwurm gibt es unterschiedliche Bandwurmarten, die Hunde und Katzen befallen können.
Diese Bandwurmarten benötigen auch unterschiedliche Zwischenwirte für ihre Entwicklung. Der häufig vorkommende Gurkenkernbandwurm braucht Flöhe oder Haarlinge, um seine Finnen ausbilden zu können.

Der Hund oder Katze nimmt also die Finnen oral z.B. unter anderem bei der Fellpflege oder beim Beschnuppern / Belecken anderer Hunde auf.

Fazit: Die Übertragung von diesem Bandwurm ist also bei der Rohfütterung unwahrscheinlich.

(Ausnahme evtl. die Fütterung von frischen, ganzen Wildtieren, die vor der Fütterung nicht tiefgefroren wurden, inwiefern man das generell machen sollte, mal aussen vor gelassen)

Häufig kommt auch der Dickhalsige Bandwurm vor, Zwischenwirte für die Finnen sind Nagetiere wie etwa Mäuse. Klassischerweise sind also Freigänger-Katzen betroffen.

Der Bandwurm kann auch Hunde befallen, wenn etwa bei Spaziergängen z.B. „Mäuse ausgebuddelt“ und gefressen werden. Füttert man tiefgefrorene Mäuse aus Frostfutter-Shops, ist die Gefahr der Ansteckung nicht gegeben, sofern die Mäuse vor der Verfütterung mind. 7-10 Tage* tiefgefroren gelagert wurden – Bandwurm-Finnen sterben bei ausreichend langer Frostung ab.

Fazit: Die Ansteckung durch Rohfütterung mit diesem Bandwurm ist also unwahrscheinlich.

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Mäusefänger bei der Arbeit. Bildquelle: Jewgenia Stasiok – pixelio.de

Weitere Bandwürmer, die bei Hunde und Katzen häufiger zu finden sind, sind Bandwürmer der Gattung Taenia. Die Zwischenwirte sind je nach Art z.B. Wiederkäuer, Hasen / Kaninchen, Pferde, Schweine und Hirsche.

Fazit: Eine Ansteckung durch rohes Fleisch mit dieser Bandwurm-Art ist grundsätzlich möglich. ABER:

Das ist kein Grund, in Panik zu verfallen – also lieber noch einen Kaffee holen und in Ruhe weiter lesen. 😉
Denn im Normalfall füttert man Fleisch aus Lebensmittelschlachtungen. D.h., es wird vor der Freigabe veterinäramtlich untersucht.
Das alleine heisst zwar nicht zu 100%, dass nicht doch mal eine Finne im Fleisch sein kann, aber, wir erinnern uns: Die Finnen sterben bei ausreichend langer Frostung ab. Bei mindestens 7-10* Tagen im Tiefkühlfach bei -18 Grad ist die Gefahr einer Ansteckung also nicht mehr gegeben, wenn das Fleisch danach gefüttert wird.

Dann gibt es noch Spulwürmer. Als Fräulein Maya als Notfall-Kitten einzog, war eine ihrer ersten Amtshandlungen, mir einen Schwall Spulwürmer vor die Füße zu spucken – was mich morgens vor dem ersten Kaffee zugegeben nur moderat begeistert hat.

Spulwürmer benötigen keinen Zwischenwirt, die Infektion erfolgt mit der Aufnahme von Wurmeiern aus der Umwelt oder bei Welpen entweder im Mutterlaib über die Plazenta oder über die Säugung.

Wurmeier werden von infizierten Tieren mit dem Kot ausgeschieden, das ist eine der typischen Infektionsquellen für andere Hunde und Katzen. Die andere ist die Aufnahme von infizierten Zwischenwirten, z.B. Nagetiere oder Flöhe.

Fazit: Rohfleisch ist keine typische Infektionsquelle.

Kommt es denn immer zu einem massiven Wurmbefall?

Das kann man klar verneinen.

Wenn Hunde und Katzen Bandwurm-Finnen oder Wurmeier aufnehmen, dann greift erst einmal das körpereigene Abwehrsystem, d.h. die Schädlinge werden erkannt und versucht, unschädlich zu machen.

Bei ausgewachsenen, gesunden Hunden und Katzen funktioniert das im Normalfall gut, beim Kontakt mit Wurmeiern oder Finnen kommt es daher nicht zwangsläufig auch zu einer massiven Vermehrung im Organismus!

Bei Tieren, deren Immunsystem aus irgendeinem Grund geschwächt ist oder parallel anderweitig verstärkt arbeiten muss, können Würmer sich ungestörter entwickeln bzw. vermehren. Insbesondere bei Welpen, bei Senioren, bei Tieren, die anderweitig erkrankt sind und / oder regelmäßig Cortison bekommen, kann es schneller zu Verwurmungen kommen.

Was bringen regelmäßige Kot-Untersuchungen?

Chemische Entwurmungen wirken nicht prophylaktisch. Das heisst also, wenn zum Zeitpunkt der Entwurmung kein Parasitenbefall vorliegt, ist eine Wurmkur sinnlos.

Eine Wurmkur hat aber auf der anderen Seite IMMER starke Nebenwirkungen, denn die Wirkstoffe zielen ja darauf ab, Lebewesen abzutöten.

D.h., in dem Moment, in dem Wurmkuren verabreicht werden, befinden sich diese Giftstoffe im Körper des Hundes oder der Katze, können entsprechende (und keineswegs harmlose) Nebenwirkungen auslösen und müssen wieder abgebaut werden.

Leber und Nieren werden dadurch nicht unerheblich beansprucht.

Es ist also sinnvoll, vor der evtl. Verabreichung einer Wurmkur feststellen zu lassen, ob überhaupt ein Befall vorliegt. Mit bloßem Auge ist das nur bei einer sehr starken Verwurmung zu erkennen, dann werden die Würmer über den Kot ausgeschieden oder eben auch erbrochen.
Aus diesem Grund sammelt man Kotproben von drei aufeinander folgenden Tagen und lässt diese dann von einem Labor auf Parasiten untersuchen.

Ist nichts zu finden, ist alles gut, bei einem Befall muss man dann weiter entscheiden. Kostenmäßig liegen die prophylaktische Laboruntersuchung und die Wurmkur so ziemlich im selben Bereich.

Bei Welpen kann man selbstverständlich auch eine Kotuntersuchung machen lassen, um einen Wurmbefall abzuklären. Meist wird grundsätzlich und ohne Kotuntersuchungen entwurmt, da die Risiken für die Gesundheit, die mit einem Wurmbefall einhergehen, beim Welpen höher sind.

Kann man Prophylaxe betreiben? Welche Rolle spielt die Ernährung?

Völlig ausschließen, dass Hunde oder Katzen mit Wurmeiern oder Finnen in Berührung kommen – ein ziemlich untopisches Unterfangen.

Die Chancen stehen dafür noch am besten, wenn man reine Wohnungskatzen hat; Hunden und Freigängerkatzen kommen jedoch im Laufe ihres Lebens mit Parasiten in Berührung.

Trotzdem möchte man natürlich einen massiven Wurmbefall bei seinem Tier vermeiden.
Man sollte also den Blick als erstes auf ein intaktes Immunsystem richten, damit die natürlichen Abwehrmechanismen grundsätzlich greifen können. Dazu zählt selbstverständlich eine artgerechte, ausgewogene Fütterung, die sich teilweise selbst „erarbeitet“ werden sollte, genauso sind Faktoren wie eine stressfreie Umgebung, ausreichend Bewegung und eine dem jeweiligen Tier angepasste Beschäftigung wichtig.

Zusätzlich kann man es über die Fütterung von Pflanzen / Kräutern einem Wurmbefall schwerer machen, denn es gibt zahlreiche Pflanzen bzw. deren Inhaltsstoffe, die Würmer meiden.

Man kann also Bedingungen schaffen, die für Würmer nicht ideal sind, um deren Lebensdauer und Ausbreitung im Organismus zu erschweren. Dazu gehören z.B. Ingwer, Thymian, Wermutkraut, aber auch die in Kokosöl enthaltene Laurinsäure.

Bei wildlebenden Tieren kann man beobachten, dass zeitweise auch Pflanzen mit „wurmfeindlichen“ Inhaltsstoffen gefressen werden. Auch rauhfaserige Bestandteile in der Fütterung wie Hagebutten oder grobe Ballaststoffe (z.B. Fellstreifen zum Kauen) scheinen wurmfeindlich zu wirken.

Fazit

Man kann den Kontakt zu Parasiten nicht grundsätzlich verhindern, aber man kann die Lebensbedingungen für Würmer zu deren Nachteil beinflussen.

Rohfütterung ist dabei zwar keine Garantie, Wurmbefall zu verhindern, sie kann aber einen nicht unerheblichen Beitrag zu einem intakten Darmmilieu / Immunsystem leisten.

Im Gegensatz dazu muss man sich auch immer mal wieder vor Augen führen (denn manchmal soll einem da durchaus etwas anderes suggeriert werden 😉 ), dass chemische Wurmkuren NIE prophylaktisch wirken können und im ungünstigsten Fall mit deutlichen Nebenwirkungen für den Hund oder die Katze verbunden sind.

Mein Eindruck ist, dass man mitunter einfach etwas mehr Gelassenheit in Bezug auf das Thema an den Tag legen kann. Sich nicht verrückt machen. Der Gedanke eine Wurmbefalls ist sicherlich nicht besonders erbauend, aber absolut keim- und parasitenfreie Hunde und Katzen – von der Idee muss man sich lösen.
Ob eine chemische Entwurmung unter welchen Umständen empfehlenswert ist, sollte man immer im konkreten Einzelfall entscheiden, bei einer sehr starken Verwurmung kann sie ggffls tatsächlich unumgänglich sein.

Aber dass alleine Rohfütterung die Gefahr eines Wurmbefalls exorbitant erhöht, das ist und bleibt ein Ammenmärchen.

* Zum Zeitraum, in dem Wurmeier und Finnen gesichert durch Einfrieren absterben, findet man sehr unterschiedliche Angaben. Manche Quellen geben ein Absterben bereits nach 2-3 Tagen an, eine andere geht davon aus, dass man erst nach 14 Tagen ganz sicher sein kann, dass Finnen und Eier nicht mehr infektiös sind. Der am häufigsten genannte Wert ist eine Woche.