Gemüse ist gesund. Und so lecker!
Die Frage ist nur: Wie erklärt man das dem Hund?
Das Problem haben viele BARFer: Kaum ist Gemüse im Napf, wird alles schwierig.Es gibt viele Hunde, die auf die Gemüsekomponente bei der Rohfütterung auch gut verzichten könnten und nur widerwillig oder mit kleinen Tricks fressen. Was aber, wenn man es mit Totalverweigerer zu tun hat?
Die Frage ist daher, ob ein Hund tatsächlich zwangsläufig Gemüse / Salate / Obst in der Ernährung benötigt. Abgeleitet von der natürlichen Ernährung des Wolfes, muss die Antwort „jein“ lauten. Wölfe als klassische Beutetierjäger fressen dann Gräser / Wurzeln / Samen / Früchte / Kräuter, wenn keine anderweitige Beute erlegt werden kann, aber auch als Verdauungshilfe.
In der Rohfütterung ist der Anteil normalerweise deutlich höher, in Sachen Obst – Gemüse ist BARF also nicht 1:1 identisch mit dem Fressverhalten der Wölfe. Warum ist das eigentlich so, wenn man doch möglichst naturnah füttern möchte?
Dafür gibt es mehrere Gründe.
Zum einen benötigen Hunde Ballaststoffe, damit die Verdauung optimal funktioniert. Ballaststoffe tragen ihren Teil dazu bei, dass der Kot weder zu hart noch zu weich ist und sorgen dafür, dass der Nahrungsbrei im Dünndarm im richtigen Tempo weiter transportiert wird.
Ballaststoffe sind unverdaulich, sie werden also weitestgehend so wieder ausgeschieden, wie sie aufgenommen wurden. Weitestgehend deswegen, weil die Ballaststoffe etlichen erwünschten Darmbakterien im Dickdarm als Nahrung dienen.
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Futter für die Darmbakterien
Die dadurch entstehende Propionsäure, eine kurzkettige Fettsäure, ist in mehrerer Hinsicht interessant: Sie scheinen einen positiven Einfluss auf die Darmschleimhaut zu haben, indem sie die Barrierefunktion unterstützen und die Darmschleimhaut so widerstandsfähiger gegen Entzündungen machen können. Vor allem bei Hunden mit chronischen Darmentzündungen / IBD ist eine ausreichende Ballaststoffversorgung daher empfehlenswert.
Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Propionsäure eng mit einem funktionierenden Immunsystem verknüpft ist. So konnte beispielsweise beobachtet werden, dass bei verminderter Bildung von Propionsäure auch weniger regulative T-Zellen gebildet werden. Diese T-Zellen sind Teil des spezifischen Immunsystems, sie regulieren überschießende Immunreaktionen wie etwa bei Allergien und tragen dazu bei, dass Entzündungen nicht chronisch werden.
Ähnlich günstige Eigenschaften hat Butyrat, das ebenfalls durch Darmbakterien bei der Vergärung von Ballaststoffen im Dickdarm entsteht.
Butyrat ist die Hauptenergiequelle der Darmzellen, es beeinflusst die immunologische Abwehr des Darms. Ein Mangel scheint beispielsweise das Risiko für Darmerkrankungen zu erhöhen.
Oder kurz gefasst: Ballaststoffe tragen dazu bei, dass die Darmflora intakt bleibt.
Ein anderer Grund für Gemüse / Obst sind die sekundären Pflanzenstoffe, die enthalten sind. Gemeint sind pflanzliche Inhaltsstoffe wie Pflanzenfarbstoffe (z.B. Flavonoide), Antioxidantien (z.B. Carotinoide) oder aromatische Duftstoffe (z.B. Phenole). Diese Inhaltsstoffe können beispielsweise die Verdauung fördern, Zellschädigungen verhindern und die unspezifische Immunabwehr stärken. Auch hier darf man zwar nicht verallgemeinern, nicht jeder sekundäre Pflanzenstoff hat einen uneingeschränkt positiven Nutzen. Lektine oder Phytinsäure gehören zu den sekundären Pflanzenstoffe, sind aber auch bekannt als „Antinährstoffe“.
Auf die Menge kommt es an
Deswegen ist das richtige Maß wichtig. Eine zu große Menge an Ballaststoffen macht die Fütterung für Hunde schwerer verdaulich. Dann kann es zu Blähungen kommen oder zu Durchfall.
Zu viele Ballaststoffe bringen keinen Mehrwert, denn je höher der Anteil an Gemüse / Obst ist, desto weniger Platz ist in der Fütterung für andere Nährstoffe.
Oft wird angenommen, dass Gemüse und Obst die Vitaminlieferanten beim BARF sind. Deutlich mehr für Hunde relevante Vitamine als Gemüse / Obst stecken aber in den Innereien, besonders in Leber. Das dort enthaltene Vitamin A beispielsweise liegt direkt in der für Hunde am besten verfügbaren Form vor. Dagegen muss Vitamin A aus pflanzlichen Quellen erst im Körper umgewandelt werden, weswegen auch wesentlich davon benötigt wird, um den Vitamin A – Bedarf zu decken.
Und was ist mit dem Proteingehalt?
Je mehr Gemüse und Obst in der Ration ist desto geringer ist auch der Proteingehalt. Und den muss man ja auch jeden Fall vermeide, denn bei hohen Proteingehalte in der Fütterung steigt ja schließlich das Risiko einer Nierenerkrankung, oder?
Ehrlicherweise muss man da mit „jein“ antworten. Legt man die gängigen Bedarfswertequellen zu Grunde, hat man bei BARF so gut wie immer eine Übererfüllung des Proteinbedarfs. Allerdings kommt es auch auf die Hochwertigkeit des Proteins an. Immer wenn ein Protein in der Leber zerlegt wird, fallen auch Abbauprodukte an, die über die Niere ausgeschieden werden müssen. Aber hochwertiger das Protein, desto weniger dieser Abbauprodukte fallen an. Und das enthaltene Protein ist bei BARF normalerweise deutlich hochwertiger als bei vielen marktüblichen Trockenfuttersorten.
Im Einzelfall kann es notwendig sein, den Proteingehalt in der Fütterung zu reduzieren, aber dann liegen normalerweise besondere Umstände vor. Erkrankungen, Unverträglichkeiten, zum Beispiel.
Es macht also bei einem gesunden Hund keinen Sinn, den Gemüse- / Obstanteil beim BARF über die 30%-Marke zu bringen, weil man sich davon einen gesundheitlichen Vorteil verspricht.
Allerdings bringt der Gemüseanteil natürlich auch ein gewisses Volumen in die Fütterung. Da das Sättigungsgefühl beim Hund unter anderem über Dehnungsrezeptoren signalisiert wird, kommt es Hundehaltern natürlich entgegen, ein gewisses Volumen füttern zu können. Mit trotzdem relativ wenig Kalorien. Das ist gerade bei Hunden, die abnehmen müssen oder ständig Kohldampf schieben, eine Hilfe.
Brauchen Hunde Obst und Gemüse?
Wenn es jetzt aber um die Frage geht, ob Hunde Gemüse und Obst wirklich zwingend brauchen: Nein, tun sie nicht. Aber sie benötigen Ballaststoffe. Um die in die Fütterung einzubauen, braucht man nicht unbedingt Gemüse und Obst. Entscheidet man sich für Gemüse / Obst, hat man durch ein eventuell etwas höheres Futtervolumen und die sekundären Pflanzenstoffe zusätzlichen Mehrwert.
Wenn Dein Hund kein Gemüse oder Obst frisst, kannst Du auch 5-10% der Gesamtfuttermenge durch gequollene Flohsamenschalen oder ähnliche Ballaststoff füttern. Wenn es näher am Beutetier sein soll, dann bieten sich auch (in Maßen) Kauartikel mit Fell an.
Wie viel Ballaststoffe ein Hund benötigt, ist individuell unterschiedlich. Wichtig ist, dass sie auf eine der genannten Arten in der Fütterung enthalten sind.
Aber was tun, wenn der Hund Gemüse und Obst verweigert?
Manchmal sind es nur einzelne Gemüsesorten, die nicht so gerne gefressen werden. Einige Hunde mögen gern die besonders würzigen Gemüsesorten wie Pastinake, Sellerie oder Fenchel. Andere verweigern genau diese stärker riechenden Sorten.
Auch Gemüsesorten, in denen Bitterstoffe oder viel Chlorophyll enthalten sind (Chicorée, Endiviensalat, Feldsalat, Ruccola, etc.) stoßen nicht immer auf Gegenliebe.
Wenn Du einen Gemüseverweigerer zu Hause hast, dann kannst Du beispielsweise mit möglichst geschmacksneutralen Gemüsesorten einen Versuch starten: Zucchini oder Gurke tun da gute Dienste. Kürbis und Möhren sind leicht süßlich, da ist die Gegenwehr häufig auch etwas geringer. Den Effekt kann man auch noch verstärken, indem man z.B. etwas Banane mit Gemüse kombiniert.
Es müssen auch nicht x verschiedene Gemüsesorten sein. Wenn Dein Hund nur zwei oder drei frisst – kein Problem, für die Ballaststoffe reicht das aus. Mehr Abwechslung ist toll, aber wenn die nicht möglich ist, dann eben nicht. Daraus entstehen keine Nährstoffdefizite.
Manchmal hilft auch kochen, um die Akzeptanz zu erhöhen oder das Strecken mit Knochenbrühe.
Fazit
Es bedarf gegebenenfalls etwas mehr Überlegung bei der Rationszusammenstellung, aber grundsätzlich ist es problemlos möglich, Hunde auch ohne einen Gemüse- bzw. Obstanteil roh zu füttern. Die Fütterung bestimmter Zusätze kann darüber hinaus eine Ergänzung sein.
Bevor das Projekt „BARF“ also am Gemüse/Obst scheitert und man sich als Hundehalter irgendwann entmutigen lässt, solltest Du die Fütterung einfach entsprechend modifizieren. Da ist die Nicht-Akzeptanz oder das Nicht-Vertragen anderer Futterbestandteile wesentlich problematischer.
Studien:
Gill et al.: Review article: short chain fatty acids as potential therapeutic agents in human gastrointestinal and inflammatory disorders. 2018
Suchodolski: Companion animals symposium: microbes and gastrointestinal health of dogs and cats. 2011