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Rohfütterung – Wird BARF das neue Fertigfutter?

 

Stillstand ist der Tod, sang Grönemeyer irgendwann mal.
Oder anders formuliert: Veränderungen sind normal, in so ziemlich in allen Bereichen des Lebens. Die Rohfütterung ist da nicht ausgenommen.

Erntete man vor 10 Jahren mit einem Bekenntnis zum BARFen noch ähnliche Reaktionen als habe man gerade erklärt, eine frisch gelandete außerirdische Lebensform auf der Suche nach Nahrung zu sein, reicht das Repertoire nun von vehement vorgetragenen Vorurteilen über interessiertes Stirnrunzeln bis hin zu einem begeisterten „Hey, ich barfe auch!“. Sollte reichen, um es Fortschritt zu nennen.

Aber wie es immer so ist, wenn etwas bekannter wird – es gibt auch Nebenwirkungen. Mehr oder minder seltsame Auswüchse, die man so in den letzten Jahren beobachten konnte.

 

Simplification rules.

 

Das ist ein Punkt, an dem ich zugegeben zwiegespalten bin. Ich mag selber nicht gerne zuviel Gewiggel und Gedöns.
Aber ich glaube, man muss unterscheiden zwischen dem, was einfach und sinnvoll ist und dem, was als goldene, einfache und ultimative Lösung verkauft wird – mit Betonung auf verkaufen. Und davon gibt es viele.
Hier ein Futterzusatz, da ein Fertig-BARF oder ein spektakulär „neues“ Ernährungskonzept, das alles garantiert ganz einfach macht und den Hund mindestens 20 Jahre alt werden lässt.

 

Vor allem Futterzusätze und Ernährungskonzepte scheinen in letzter Zeit wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Kann ich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gut verstehen. Nur: Man kann das Rad nicht ständig neu erfinden. Hunde und Katzen haben bestimmte Anforderungen an ihre Fütterung und entweder diese sind abdeckt oder eben nicht. Manche Futterzusätze sind absolut notwendig und unumgänglich: Knochen beim BARFen müssen eben immer durch Eierschale, Knochenmehl etc. abgedeckt werden, wenn sie nicht gefüttert werden (können).
Für Katzen ist zusätzliches Taurin als Ergänzung bei egal welcher Fütterungsart empfehlenswert.
Viele Zusätze verkaufen aber einen Zusatznutzen, der kaschieren soll, dass es sich oft um absolut unspektakuläre Inhaltsstoffe handelt – die zusammengemixt dann einen Haufen Geld kosten.

 

Ähnlich wie bei vielen Fertigfuttern: Wenn zu über 50% Gerste, Kartoffeln und Haferflocken Bestandteil sind, werden natürlich die „gesundheitsfördernden“ (O-Ton) Eigenschaften der ebenfalls enthaltenen Äpfel und Kräuter ausgelobt.
Da wird der erwartungsgemäß niedrige Fleischanteil auch schon mal gepriesen als „angepasster Proteinanteil“ zur „optimalen Verdaulichkeit“ oder zur „Gewichtsregulierung“ und die gemahlenen Leinsamen als Omega-3-Quelle.
Dass hochwertiges tierisches Protein für Carnivoren deutlich besser verdaulich ist als pflanzliche Nebenprodukte, der Proteinanteil meistens nichts mit Gewichtszunahmen zu tun hat und die hitzeempfindlichen Omega-3-Fettsäuren den Herstellungsprozess vermutlich nur stark reduziert (wenn überhaupt) überstehen – ach, geschenkt, komm mir nicht mit Tatsachen.

 

Angst ist kein guter Ratgeber.

 

Und es gibt noch einen Aspekt, der gut verkauft: Angst. Gerade Rohfütterung wird immer noch oft als etwas dargestellt, das alleine und ohne x Zusätze auf keinen Fall nicht hinzubekommen ist. Weil die Nährstoffe nicht abgedeckt sind. Nein – nicht abgedeckt sein KÖNNEN. Niemals.  Und auch da werden schnell Patentlösungen aus dem Hut gezaubert.
Leider arbeiten viele der „Alles-drin“ – Zusätze dann nach dem Gießkannen-Pinzip: Von allem ein bißchen – so kann man nichts kaputt machen. Nur ist der Nutzen damit eben auch überschaubar.

Während allerdings noch vor ein paar Jahren hauptsächlich mit Schlagwörtern wie „für schönes Fell“ oder „für gesunde Zähne“ geworben wurde, erlebe ich in den letzten Jahren öfter, dass eher subtile Ängste gezielt getriggert werden. Da werden zum Beispiel Produkte indirekt, aber offensiv zur Krebsprophylaxe empfohlen. Halter von älteren Tieren haben oft eine ganze Batterie unterschiedlichster Zusätze im Regal, die ein Senior UN-BE-DINGT bekommen muss. Ohne dass irgendeine Erkrankung vorliegt, einfach nur aufgrund eines bestimmten Alters.

 

 

Alles natürlich?

 

Wo ein Extrem ist, ist meistens das gegenteilige Extrem nicht weit. Denn genauso bemerkenswert ist die aktuelle Tendenz, nur noch „komplett natürlich“ füttern zu wollen. Zusätze jeder Art sind pauschal und grundsätzlich verpönt.
Meistens wird dann noch schnell zum verbalen Kinnhaken ausgeholt, dass der Wolf schließlich auch keine Pülverchen nutzt. So!

Die Wahrheit liegt wohl wie so oft irgendwo in der Mitte: Natur pur ist super, solange damit die Grundversorgung gesichert ist. Am offensichtlichsten wird diese Lücke bei der Jodversorgung sichtbar. Denn ohne Schilddrüsengewebe fehlt eben auch ein wesentlicher Teil Jod, der dem Wolf zur Verfügung steht. Ohne Zusätze bzw. Schilddrüsengewebe / Kehlkopf (die Fütterung ist jedoch nicht empfehlenswert!) ist es unmöglich, ausreichend Jod in eine BARF-Ration zu bekommen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Jod auch in Mini-Mengen durch andere Lebensmittel aufgenommen wird.

Der Grundsatz ist eigentlich ganz einfach: Sollen keine (egal, wie gearteten Zusätze) gefüttert werden, muss die Zusammenstellung der Fütterung so sein, dass man tatsächlich nichts ergänzen muss. Wenn etwas fehlt, ist es schädlicher, es aus den vielleicht falschen Motiven nicht zu füttern, als ein evtl. synthetisches Produkt zuzufüttern. Denn – und das wird oft übersehen – wenn ein Nährstoff in der Fütterung fehlt, haben maximal Freigänger-Katzen die Möglichkeit, diesen Nährstoff anderweitig draußen aufzunehmen. Hunde und Wohnungskatzen haben das nicht, was in der Fütterung fehlt, fehlt also wirklich. Leichte (!) Überdosierungen sind daher oft besser tolerierbar als Defizite.

Auf der anderen Seite sorgt natürlich die Zahl der vielen unterschiedlichen Meinungen und Produkte für zusätzliche Verwirrung. Es ist also manchmal gar nicht so einfach, herauszufinden, was geeignet ist und was vielleicht weniger geeignet ist. Das kommt aber oft auch auf den Einzelfall an.

Interessanterweise wird die Angst vor Fehlern bei Hunden noch deutlich häufiger geschürt als bei Katzen, obwohl Katzen eigentlich die spezielleren Fütterungsanforderungen haben und Fütterungsfehler weniger gut wegstecken. Aber Katzen haben einen entscheidenden Nachteil: Im Gegensatz zu Hunden hat man oft viel weniger Chancen, der Katze die eigenen Fütterungsvorstellungen im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen.

 

Fleischqualität?

 

BARF sei ein Trend, heisst es immer so schön. Eigentlich soll das ja nur bedeuten, dass mehr Hunde und Katzen auf diese Art und Weise ernährt werden. Grundsätzlich gut. Sehr gut sogar.

Was mir aber in den letzten Jahren immer mal wieder aufgefallen ist, dass es auch schwieriger geworden ist, eine gleichbleibend hohe Fleischqualität zu bekommen. Mehr Nachfrage bedeutet, mehr Fleisch muss beschafft werden. BARF ist nur bedingt dazu geeignet, die Nebenerzeugnisse aus der Fleischproduktion zu verwerten. Während man im Tierfutter unter Umständen nicht mal einen blassen Schimmer hat, was das in der Dose oder im TroFu mal vor der Verarbeitung war, sieht und riecht man bei der Rohfütterung sehr genau, wie es um die Fleischqualität bestellt ist. Das ist zwar eher ein Katzenhalter-Problem, aber umso wichtiger ist ein verantwortungsvoller Umgang mit der Ressource Fleisch. Und umso mehr schätze ich die Arbeit der Lieferanten und Shops, die weder bei der Herkunft des Fleisches, noch bei der Qualität Kompromisse eingehen. Auch wenn das bedeutet, dass nicht immer jede Fleischsorte in jeder beliebigen Menge verfügbar ist.

 

Und die Moral von der Geschicht´? 

Auch bei der Rohfütterung sollte man sich die Zeit nehmen und immer mal wieder genauer hinschauen.
Was ist nötig, was nicht? Was schadet eher, als dass es nutzt? Wo kommt das Fleisch her, was gekauft wird? Welche Futterzusätze machen für das eigene Tier Sinn? Und welche verkaufen eher eine Hoffnung oder sind so zusammengesetzt, dass sie ihren Einsatzzweck gar nicht ideal erfüllen können?

Und – auch das ist wichtig – leben und leben lassen. Auch dann, wenn jemand Rohfütterung anders handhabt als man selbst. Denn solange diese andere Handhabung nicht ganz offensichtlich schädlich ist (z.B., weil sie nicht alle benötigten Nährstoffe enthält), gilt immer: Es gibt nicht DIE einzig richtige Form der Rohfütterung. Sondern nur die, die für Deinen Hund oder Deine Katze individuell am besten geeignet ist.

 

 

 

Ute Wadehn:
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