Palmitoylethanolamid (PEA) ist ein endogenes (= im Körper entstehend) Fettsäureamid, das in verschiedenen Geweben des Körpers vorkommt und eine Rolle bei der Modulation von Entzündungen und Schmerz spielt. Es wurde erstmals in den 1950er Jahren entdeckt und ist seitdem im Humanbereich Gegenstand zahlreicher Studien zur Behandlung verschiedener Erkrankungen.
In den letzten Jahren ist PEA jedoch auch für den Einsatz bei Hund und Katze populär geworden. Die pulverförmige Substanz erlangte zunächst vor allem Bekanntheit zur Unterstützung bei Schmerzen im Bewegungsapparat, beispielsweise durch Arthrose. Oft als Versuch, die dauerhafte Anwendung von Schmerzmitteln hinauszuzögern oder die Dosierung von Schmerzmitteln zu verringern. Mittlerweile liest man auch vermehrt Empfehlungen für die Anwendung bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und Allergien.
Zeit also, PEA einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
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PEA, was ist das genau?
Die Geschichte von Palmitoylethanolamid (PEA) beginnt in den 1950er Jahren, als es erstmals als bioaktives Lipid entdeckt wurde. Forscher beobachteten, dass PEA entzündungshemmende Eigenschaften besaß. In den 1960er Jahren begann die Wissenschaft dann, PEA intensiver zu untersuchen. 1965 wurden die entzündungshemmenden Eigenschaften von PEA erstmals durch eine Studie bestätigt.
Spätere Untersuchungen konzentrierten sich vor allem auf diese antiinflammatorischen Eigenschaften. Und darauf, wie körpereigene Regelmechanismen bei Entzündungen, aber auch bei Schmerzen, durch PEA beeinflusst werden. Insbesondere, als in den 1990ern das Endocannabinoid-System verstärkt erforscht wurde, gelangte auch PEA wieder in den wissenschaftlichen Fokus. Denn PEA spielt in diesem System eine wesentliche Rolle. Aber erst in den 2000er-Jahren begann man, klinische Anwendungen in der Humanmedizin zu entwickeln.
Man kann also sagen, dass es sich bei PEA um eine gut erforschte Substanz handelt, die sich im Humanbereich als anerkanntes Therapeutikum etabliert hat. Im Tierbereich gibt es nicht ganz so viele Studien. Das, was an Untersuchungsergebnissen existiert, lässt jedoch darauf schließen, dass PEA bei Hunden, aber auch bei Katzen eine ähnliche Wirkung zeigen kann. Allerdings: Die bisherigen Studien basieren oft auf sehr kleinen Versuchsgruppen. Insgesamt ist bei der Forschungslage noch Luft nach oben.
Was weiß man zur Wirkung?
Im Laufe der Zeit haben sich für PEA verschiedene Wirkmechanismen bestätigt. Dazu gehören Entzündungshemmung, Schmerzstillung, die Beeinflussung des Immunsystems und eine zellschützende Wirkung.
Man weiß, dass PEA die Aktivität von Mastzellen und damit die Ausschüttung von Histamin regulieren kann. Genauso reduziert es die Produktion von Botenstoffen, die bei der Entstehung von Entzündungen beteiligt sind. Außerdem wird das Endocannabinoid-System reguliert: PEA erhöht die Verfügbarkeit von Anandamid, was antiinflammatorische Effekte verstärkt.
Die schmerzstillende Wirkung entsteht dadurch. dass PEA mit verschiedenen Rezeptoren im Nervensystem interagiert, wodurch die Vermittlung von Schmerzsignalen reduziert wird.
Zur den zellschützenden und immunmodulierenden Anwendung gibt es derzeit weniger Erkenntnisse. Aktuell geht man davon aus, dass PEA zellprotektive Eigenschaften hat und helfen kann, die Immunantwort zu regulieren. Die genauen Wirkmechanismen werden derzeit noch näher untersucht.
Anwendungsgebiete
Durch die Wirkmechanismen sind die Hauptanwendungsgebiete alle Bereiche, die mit Schmerzen und / oder entzündlichen Prozessen einhergehen.
Ein großes Einsatzgebiet sind beispielsweise Arthrose und entzündliche Erkrankungen des Bewegungsapparates bei Hunden und Katzen. (0) Aber auch bei anderen Entzündungen und chronischen Schmerzen anderer Ursachen wird PEA mittlerweile genutzt. Dazu gehören zum Beispiel auch neurale Entzündungen des Bewegungsapparates, sowie Schmerzen oder Entzündungen nach OPs. Im Netz findet man auch Berichte von Haltern zur Anwendung bei Katzen mit FORL – wobei hier immer die Zähne entfernt werden müssen, um die Ursache der Schmerzen zu beseitigen. Der Einsatz von Ergänzungen wie PEA kann also nur zur Überbrückung der Zeit bis zur OP dienen.
Nichtsdestotrotz ist bemerkenswert, dass auch bei Katzen nichts gegen den Einsatz von PEA spricht. Durch die Besonderheiten im kätzischen Stoffwechsels ist man oft sehr eingeschränkt, was Futterergänzungen, aber auch therapeutische Maßnahmen angeht.
Es gibt außerdem Überlegungen, ob PEA auch bei Hunden und Katzen mit Epilepsie zu einer Verbesserung führen kann. Bei Menschen hat sich Potenzial bei der Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson gezeigt. Außerdem wurden im Humanbereich auch die Wirkung bei Infektionserkrankungen untersucht, auch hier zeigten sich erste Hinweise auf die Wirksamkeit.
PEA bei Allergien
Große Hoffnungen bestehen in Bezug auf die Linderung von Allergien. Allergische Reaktionen sind in der Regel durch eine übermäßige Aktivierung des Immunsystems gekennzeichnet, was zu Entzündungen und anderen Symptomen führt. PEA greift in diese Prozesse ein und hilft, die allergische Reaktion zu mildern.
Durch die Tatsache, dass PEA die Mastzellen stabilisieren kann, wird die Histaminausschüttung reduziert. Histamin wiederum ist ein wesentlicher Faktor in allergischen Reaktionen, was die Intensität der allergischen Reaktion im Idealfall vermindert.
In die gleiche Richtung deutet das Wissen, dass PEA die Produktion und Freisetzung von sogenannten proinflammatorischen Zytokine hemmt, was zu einer Abschwächung der Entzündungsreaktion führt.
Was heißt das also konkret, kann jede Form allergischer Reaktionen durch PEA gemildert werden? Da ist die Forschung leider noch am Anfang und in Bezug auf konkrete Studien mit Hunden und Katzen ist die Lage…übersichtlich.
Es gibt allerdings einige Studien dazu, die in diesem Kontext interessant sind. Bei der ersten wurden entnommene Hautproben von Hunden zunächst mit dem Polymer 48/80 in Kontakt gebracht und dann mit PEA. Diese Proben zeigten, dass der vorherige Kontakt mit PEA die Mastzell-Degranulation deutlich herabsetzt und damit die allergische Reaktion weniger intensiv ausfiel. 48/80 ist eine Verbindung, die z.B. zu Forschungszwecken bewusst zur Herbeiführung einer Histaminfreisetzung aus den Mastzellen genutzt wird, man könnte also sagen: Um eine allergische Reaktion auszulösen. Der Haken an der Sache: Die Untersuchung bezieht sich auf drei entnommende Hautproben, was nur bedingt aussagekräftig ist. (1)
Eine andere Untersuchung geht jedoch in eine ähnliche Richtung. Hierbei wurden 160 Hunden zwei Monate lang PEA oral verabreicht. Alle Hunden waren mit einer mittelschweren atopischen Dermatitis inkl. Juckreiz diagnostiziert. Die Ursache war nicht immer geklärt, die Symptome jedoch nicht-saisonal. Die Hunde waren in verschiedenen Tierklinken in Behandlung, während der Studie füllten die Halter zu Beginn und nach etwas über der Hälfte der Zeit Fragebögen aus, in den sie die Lebensqualität und die Symptome bewerteten. Die Tierärzte bewerteten die Schwere der Hautläsionen mithilfe des Canine Atopic Dermatitis Lesion Index (CADLI). (2)
Für über der Hälfte der Hunde wurde eine Verminderung des Juckreizes angeben, bei 30% bestand nur noch ein geringfügiger Juckreiz. Die Hautläsionen nahmen bei 62% der Hunde ab.
Auch für Katzen gibt es eine Studie, die ähnliche Erkenntnisse zeigt. Bei Katzen mit eosinophilem Granulom, die einen Monat lang 2x täglich 10 mg PLR-120 / kg KW bekamen, zeigten 67% der Katzen eine Besserung der Symptome, insbesondere des Hautbildes. Bei jeder Katze wurde eine Hautbiopsie vorgenommen, die Anzahl der Mastzellen vor und nach der Verabreichung von PLR-120 war in den Proben unverändert, die Läsionen nahmen sichtbar ab. Aber auch hier war die Versuchsgruppe mit 15 Katzen eher klein. (3)
Anmerkung: PLR-120 ist ein synthetisches Derivat von PEA. Es wurde entwickelt, um beispielsweise die begrenzte Löslichkeit von PEA zu verbessern und die Bioverfügbarkeit zu optimieren. Die genauen Eigenschaften werden derzeit noch erforscht.
Bei einer anderen, etwas grösser angelegte Studie mit 57 Katzen und Juckreiz / Dermatitis ungeklärter Herkunft (nur Flohbissallergie war ausgeschlossen) zeigte sich ein ähnliches Bild. Alle Katzen erhielten zunächst für 28 Tage Prednisolon. Die Katzen, die auf diese Therapie ansprachen, wurden danach in zwei Gruppen unterteilt. Acht Wochen lang erhielt eine Gruppe ein Placebo, die andere bekam 15 mg PEA /Tag, gefolgt von einem 4-wöchigen, behandlungsfreien Intervall. Dabei zeigte sich, dass der Juckreiz unter PEA abnahm und die Dauer bis zu einem Rückfall im behandlungsfreien Zeitraum bei den Katzen länger war, die PEA bekommen hatten. (4)
Da die Verträglichkeit von PEA in allen Studien gut war, könnte man zusammenfassend sagen: Einen Versuch kann es bei entsprechenden Symptomen wert sein, solange es keine anderweitigen Gründe gibt, die dagegen sprechen.
Anwendungsdauer
Klingt alles vielversprechend, oder? Man muss allerdings festhalten, dass es bei PEA (wie bei vielen anderen Substanzen) bei längerer Anwendung zu einer verminderten Wirksamkeit kommen kann. Das ist etwas, was man gfls von Heilpflanzen, aber auch von einigen Medikamenten kennt: Bei längerer Anwendung kommt man irgendwann nicht darum herum, die Dosierung zu erhöhen oder eine Anwendungspause einzulegen. Wie sich diese Toleranzen entwickeln, hängt auch von der Art des Wirkstoffes ab, um den es geht.
Bei PEA ist derzeit noch nicht abschließend geklärt, wie sich diese Anwendungstoleranzen genau entwickeln und wie wahrscheinlich dies im Einzelfall ist. Die Mechanismen der Toleranzentwicklung können zwar in Teilen aus verwandten Gebieten der Pharmakologie abgeleitet werden, aber direkte Studien zu PEA und Toleranzentwicklung sind rar.
Wie bei fast allen therapeutischen Ansätzen macht es also durchaus Sinn, einen Plan B in der Hinterhand zu haben und gfls anwendungsfreie Intervall bewusst einzuplanen.
Auch das Thema Anwendungssicherheit ist bei Hund und Katze noch nicht abschließend geklärt. Zumindest in dem Sinne, als dass es keine Studien zur Langzeitanwendung gibt. Grundsätzlich wird die Anwendung bei Hund und Katze als sicher beschrieben.
PEA, CBD, what next?
Was mich in der letzten Zeit ein bißchen nachdenklich stimmt: Es gibt alle paar Jahre immer wieder Futterergänzungen oder Wirkstoffe, die gehypt werden. Die werden dann mehr oder minder reflexartig genannt, wenn die Sprache auf einen typischen Anwendungsbereich kommt. Was dazu führt, dass solche Ergänzungen dann teilweise eher unüberlegt genutzt werden und sich unter Umständen nicht das gewünschte Ergebnis zeigt. Und sei es nur, weil die Erwartungen einfach etwas überhöht waren.
Diesen Hype gab es vor ein paar Jahren schon mal bei CBD-Öl, davor bei Kollagenhydrolysat, bei MSM, bei Schwarzkümmelöl gegen Zecken. Es gibt immer das eine Wundermittel, das besonders häufig empfohlen wird. Darüber geraten andere nützliche Stoffe mitunter in der Vergessenheit. Die wenigsten füttern heute noch Grünlippmuschel zur Unterstützung der Gelenke, obwohl es ein gut erforschter Futterzusatz ist, bei dem man in der Anwendung relativ wenig berücksichtigen muss. Aber ist eben nicht sonderlich fancy. Natürlich, keine Frage: In einer Akutsituation ist er unter Umständen nicht ausreichend. Aber Prophylaxe ist eben auch oft ein Schlüssel zur Gesundheit.
Bei anderen Stoffen, wie dem Schwarzkümmelöl, zeigt sich manchmal, dass die Anwendung unter Umständen doch nicht ganz so bedenkenlos geschehen sollte.
Aber, worauf ich hinaus möchte: Eine Unterstützung über Futterergänzungen, Nahrungsergänzungen etc. sollte immer auf den Einzelfall abgestimmt und gut informiert erfolgen. Mittel XY kann gut funktionieren, aber manchmal gibt es etwas anderes, was besser funktioniert.
Gerade bei Allergien gibt es meistens kein Wundermittel, was zappzarapp alle Symptome dauerhaft aus der Welt schafft. Dazu kommt, dass sich Grundprobleme im Laufe der Zeit verändern können, der Körper verändert sich, das Immunsystem verändert sich.
Manchmal werden Futterergänzungen genutzt, bevor überhaupt eine Idee da ist, was die Ursache für die Probleme sein könnte. Aber Ursachenforschung (oder zumindest ein sich langsames Annähern an die Ursache) ist oft ein besonders relevanter Punkt. Auch, um die Entwicklung / das Auftreten der Symptome gfls etwas besser einschätzen zu können.
Deswegen: PEA kann in vielen Situationen unterstützend sinnvoll sein und die Anwendung dazu führen, dass Symptome abgemildert werden. Die Ursache dahinter kann es meist nicht beseitigen. Aber für Tiere, bei denen die einzige Alternative gfls nie hochdosierte Therapie mit Cortison oder Schmerzmitteln ist, kann die Unterstützung mit PEA nach Rücksprache mit dem Tierarzt gfls ein Gamechanger, aber mindestens eine Unterstützung sein. So zumindest der bisherige Stand der Dinge, der sich aber mit meiner bisherigen Erfahrung deckt. Vorausgesetzt ist immer eine passende Dosierung und die Einzelfall-Abschätzung, ob die Verabreichung sinnvoll ist.
Und noch eine Ergänzung für alle, die da tiefer einsteigen möchten: Es gibt noch deutlich mehr Studien zu PEA. Vieles aus dem Humanbereich, aber eben auch zu Hund und Katze. Die im Artikel erwähnten sind eine Auswahl.
(0) G. della Rocca, D. Gamba: Chronic Pain in Dogs and Cats: Is There Place for Dietary Intervention with Micro-Palmitoylethanolamide?. 2021
(1) F Abramo, G Lazzarini, A Pirone et. al. Ultramicronized palmitoylethanolamide counteracts the effects of compound 48/80 in a canine skin organ culture model. 2017
(2)Noli C., Efficacy of ultra-micronized palmitoylethanolamide in canine atopic dermatitis: an open-label multi-centre study
(3) F Scarampella, F Abraham, C Noli: Clinical and histological evaluation of an analogue of palmitoylethanolamide, PLR 120 (comicronized Palmidrol INN) in cats with eosinophilic granuloma and eosinophilic plaque: a pilot study. 2021
(4) Noli C. et. al. Effect of dietary supplementation with ultramicronized palmitoylethanolamide in maintaining remission in cats with nonflea hypersensitivity dermatitis: a double-blind, multicentre, randomized, placebo-controlled study. 2019
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