Nüchtern erbrechen, Unmengen von Gras fressen, schmatzen: Übersäuerung ist ein häufiges Problem bei Hunden. Ich würde fast sagen, eines der häufigsten. Auch und gerade bei Hunden, die gebarft / roh gefüttert werden.
Übersäuerung meint in diesem Fall die Produktion von zuviel Magensäure. Im unkompliziertesten Fall ist das ein einmaliges oder zumindest unregelmäßiges Ereignis und erst einmal noch kein Grund zu Sorge.
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Übersäuerung – Zuviel Magensäure
Leider ist zuviel Magensäure oft keine einmalige Angelegenheit. Weil meistens eine bestimmte Ursache dahinter steckt, die es zu lokalisieren und auszuschalten gilt.
Problematisch wird eine regelmäßige Übersäuerung, weil die Magensäure irgendwann die Magenschleimhaut schädigt und sich eine Gastritis entwickelt. Die in der Folge chronisch werden kann, was wiederum gute Voraussetzungen für die Entwicklung eines Magengeschwürs (Ulcus) liefert.
Anzeichen für zu viel Magensäure
Die Anzeichen für zuviel Magensäure sind recht eindeutig, meistens kann man mehr als ein Symptom feststellen:
- verstärktes Fressen von Gras, manchmal auch von anderen Pflanzen / Erde
- starker, unangenehmer Geruch aus dem Maul (aber nicht über die Haut)
- regelmäßiges Erbrechen, entweder gallig-gelb oder schaumig-weißlich
- Appetitlosigkeit oder wechselnder Appetit, der manchmal fälschlicherweise als „mäkeln“ interpretiert wird
- Nahrungsaufnahme in kleinen Mengen, bei grösseren Mengen kommt es häufiger zu Erbrechen nach der Fütterung
- verstärktes Trinken, besonders von kaltem Wasser (das nicht vertragen wird)
- bevorzugtes Liegen auf kühlen Plätzen
- Unruhe / offensichtliches Unwohlsein nach der Fütterung
Die Ursachen, oder: Wie entstehen Probleme durch zuviel Magensäure?
Handelt es sich um eine leichte Reizung der Magenschleimhaut, zum Beispiel durch Futter, das nicht vertragen wird oder eine Schneegastritis, ist dies meistens nach ein paar Tagen Schonkost und Ruhe ausgestanden.
Wie aber entstehen chronische Magenbeschwerden?
Der Magen besitzt normalerweise Schutzvorrichtungen, damit die Magensäure schön da bleibt, wo sie soll und keinen Schaden anrichtet. Wird allerdings dauerhaft zuviel Magensäure produziert bzw. trifft die Magensäure nicht auf Nahrung, die sie verdauen kann, kommt es zu Problemen.
Die Produktion von Magensäure ist dem Prinzip nach an die Aufnahme von Futter geknüpft. Über Rezeptoren wird dem Magen signalisiert, dass Magensäure für die Spaltung von Nahrungsbestandteilen benötigt wird.
Konkreter: Zur Aufspaltung von Proteinen. Fehlt Magensäure oder ist die Ausschüttung behindert, gerät die Proteinverdauung ins Hintertreffen.
Genau das ist auch der „Schlüsselreiz“, von dem man in Bezug auf die Knochenfütterung spricht: Ohne das Protein am Knochen, dem Fleisch, fehlt der Auslöser, um Magensäure zu stimulieren und der Knochen kann nicht ausreichend zersetzt werden. Umgekehrt kann bei zuviel Magensäure auch helfen, mineralisiertere, also eher dichtere Knochen zu füttern statt weicher Knochen.
Gefressen wird pünktlich?!
Die Produktion von Magensäure muss nicht zwangsläufig an eine tatsächliche Fütterung gebunden sein.
Hunde verknüpfen bestimmte Tageszeiten und Rituale mit der Fütterung, wenn ein regelmäßiges Muster erkennbar ist. Das reicht aus, um die Produktion von Magensäure als Vorbereitung auf die Verdauung zu stimulieren.
Jeden Tag zur selben Zeit essen, ist eine zutiefst menschliche Angewohnheit, für Hunde muss es nicht die beste Lösung sein. Oft reicht es schon aus, wenn das Zeitfenster für die Fütterung erweitert wird. Das Futter landet dann z.B. nicht jeden Abend um Punkt 18 Uhr im Napf, sondern irgendwann zwischen 17 und 21 Uhr.
Diese Muster gehen aber über feste Fütterungszeiten hinaus. Weiß Dein Hund, dass es immer dann etwas zu fressen gibt, wenn Du nach Hause kommst, ist auch das ein festes Muster.
Stress
Stress ist der zweite wichtige Faktor, der eng mit Magenproblemen verknüpft ist.
Schuld daran ist vor allem das vegetative Nervensystem. Bei länger anhaltendem Stress bestimmt der sogenannte Sympathikus die Körperprozesse. Er sorgt dafür, dass der Körper für Gefahren- oder Stresssituationen optimal gewappnet ist: Erhöhung der Atemfrequenz, verringertes Schmerzempfinden, Bereitstellung schnell verfügbarer Energie. Fight or Flight.
Energieaufwändige Prozesse an anderer Stelle werden dafür aber heruntergefahren – wenn der Körper in Alarmbereitschaft ist, bleibt keine Zeit und Energie für langwierige Verdauung.
Die Magenmuskulatur ist in diesen Situationen angespannt, Nahrung wird nicht weiter Richtung Darm befördert. Der Körper entledigt sich dieses Problems, indem der vorhandene Mageninhalt durch Erbrechen einfach wieder hinaus befördert wird.
Stress schlägt also im wahrsten Sinn des Wortes auf den Magen, die Verdauung leidet. Nicht verwunderlich, dass anhaltender Stress einer der häufigsten Gründe für Verdauungsbeschwerden bei Hunden ist.
Andere Ursachen
Aber es wäre natürlich zu einfach, wenn die Ursachen so überschaubar wären.
Für anhaltende Übersäuerung / Gastritis kann es Gründe geben, die auf den ersten Blick wenig mit dem Magen selbst zu tun haben. Dazu zählen Allergien, Nierenerkrankungen oder chronische Darmentzündungen (IBD).
Auch Schmerzmittel, Antibiotika und Cortisol können die Magenschleimhaut reizen und zu den typischen „Übersäuerungsproblemen“ führen.
Und, last but not least gibt es Bakterien wie Heliobacter pylori, die zwar durchaus auch in gesunden Hundemägen (und Katzenmägen) zu finden sind, aber auch immer wieder mit Magenschleimhautentzündungen in Verbindung gebracht werden.
Warum so oft bei roh gefütterten Hunden?
Die Magensäure des Hundes ist sehr sauer. Was bei einem Fleischfresser absolut sinnvoll ist, damit die Infektionsgefahr durch Keime und Bakterien so gering wie möglich gehalten wird. Bei Hunden, die roh gefüttert werden, passt sich auch die Magensäure bis zu einem gewissen Grad an.
Ist der Hund also gestresst oder feste Fütterungszeiten gewohnt, machen sich die unangenehmen Folgen der zu reichlich produzierten Magensäure schneller bemerkbar, weil die Säure aggressiver ist.
Nicht jedes Erbrechen ist bei roh ernährten Hunden und Katzen aber ein Anzeichen von zuviel Magensäure.
Wenn Knochen(vor allem grössere und / oder am Stück) abends gefüttert werden, passiert es recht häufig, dass unverdaute Reste morgens wieder zum Vorschein kommen. Ein Mechanismus, der vor Verletzungen schützen soll.
Das typische morgendliche Erbrechen von gelblicher oder weißlich-schaumiger Flüssigkeit ist dagegen ein klares Anzeichen, dass Magensäure das Problem ist.
Und wie löst man das Problem?
Das Wichtigste ist, der Ursache für die Magenprobleme auf den Grund zu gehen und nach Möglichkeit abzustellen. Gerade beim Faktor „Stress“ ist das nicht immer so einfach und nimmt unter Umständen viel Zeit in Anspruch.
Was man darüber hinaus noch tun kann:
- Ausprobieren, mit wie vielen Fütterungen pro Tag und welchen Futtermengen der Hund am besten zurecht kommt
- Rohe fleischige Knochen morgens füttern, mit ausreichendem Fleischanteil (50:50) oder auf gewolfte Knochen ausweichen
- Futterzusammensetzung überprüfen und schrittweise ausprobieren, was Abhilfe schafft
- Die zeitweilige Fütterung von gekochtem Fleisch in Betracht ziehen
- Nicht zu kalt füttern: Rohfutter zimmerwarm werden lassen vor der Fütterung, keine gefrorenen Knochen / Kongs oder Hundeeis im Sommer
- Fleisch am Stück ggffls kurz unter kaltem Wasser abwaschen, besonders Geflügelfleisch
- Abends vor der Nachtruhe noch einmal eine Kleinigkeit füttern, in diesem Fall eignen sich Kohlenhydrate besser als Protein / Fett
Zur Linderung der Beschwerden sind phytotherapeutische Maßnahmen sehr gut geeignet: Slippery Elm Bark, aber auch die europäische Ulmenrinde oder Eibischwurzel.
Magensäurehemmer – die einfachste Lösung?
Bei wiederkehrenden Magenproblemen kommen Magensäurehemmer (Protonenpumpenhemmer) wie Omeprazol zum Einsatz. Geläufig sind sie auch unter dem Begriff „Magenschutz“, die bei längerem Einsatz von Schmerzmitteln zum Einsatz kommen.
So gut sie die Problematik der übermäßigen Magensäure beseitigen und den Hund wieder zu Fressen bewegen, so schwierig wird es im Bereich der Nebenwirkungen. Und das sind bei langfristiger Anwendung leider etliche. Erbrechen und Durchfall gehören dabei noch zu den eher harmlosen Varianten.
Gravierender sind die Nährstoffmängel, die sich entwickeln können. Länger angewendet, stören Magensäurehemmer die Resorption von Mineralstoffen wie Magnesium, Zink und Calcium. Auch ein B-12-Mangel gehört zu den Nebenwirkungen, die auftreten können.
Licky Fits bei Hunden
Auch bei den sogenannten Licky Fits kann kann zuviel oder zuwenig Magensäure ein Auslöser sein. Diese Schluck-und Leckanfälle können sehr beängstigend wirken, weil der Hund plötzlich und wie manisch anfängt, Gegenstände oder den Boden abzulecken bzw. Gras oder anderes Unverdauliches aus der Umgebung aufzunehmen. Damit verbunden sein kann starkes Speicheln und leeres Schlucken.
Das Erschreckende an den Leckanfällen ist die Intensität. Die Hunde wirken unruhig, getrieben und sind dabei meistens kaum ansprechbar und lassen sich nur schwer, wenn überhaupt, von ihrem Tun abbringen.
Für den Hund sind diese Anfälle unangenehm bis schmerzhaft. Und sie bergen das Risiko, dass dabei Fremdkörper aufgenommen werden, die für für den Hund gefährlich werden können.
Die Ursachen für Licky Fits
Die genauen Ursachen sind leider immer noch relativ wenig erforscht. Eine Verbindung zur Magendrehung gilt als relativ sicher, andere Auslöser sind wenig dokumentiert.
Meistens sitzt das Problem aber tatsächlich im Magen-Darm-Trakt, eben beispielsweise in Form von zu viel oder zu wenig Magensäure. Wenn man barft, kann also ein Blick auf die Futterzusammenstellung weiter helfen. Bei konventioneller Fütterung stochert man leider meistens deutlich mehr im Nebel, weil die Deklaration nicht immer so aufschlußreich und akribisch ist, wie es für die Ursachenfindung nötig wäre.
Unverträglichkeiten und chronische Darmentzündungen begünstigen Licky Fits, genauso ein Ungleichgewicht der Darmbakterien. Und genauso wie bei anderen Magenproblemen: Als ein möglicher Auslöser für Licky Fits wird Stress hoch gehandelt.
Was konkret heisst: Die Ursachenfindung ist auch bei Licky Fits der wichtigste Ansatz.
Zuviel oder zu wenig Magensäure?
Es kommt auch vor, dass Hunde zu wenig Magensäure ausbilden. Die Symptome sind schwer von denen einer Magensäureüberproduktion zu unterscheiden, was die Diagnose nicht ganz einfach macht.
Auch bei zu wenig vorhandener Magensäure stoßen Hunde öfter nach der Fütterung auf, können anfallsartig Gras fressen oder unangenehm aus dem Maul riechen.
Zu wenig Magensäure begünstigt außerdem leichte Durchfälle bzw. Darmentzündungen.
Ohne Magensäure werden (ähnlich wie bei Magensäureblockern) nicht ausreichend Pankreas-und Gallesäfte freigesetzt. Was wiederum dazu führt, dass Nahrungsbestandteile nicht weiter aufgespalten und die Nährstoffe über den Dünndarm nicht wie vorgesehen aufgenommen werden können. Zusätzlich kann es zu einer bakteriellen Darmüberwucherung bzw. Darmfehlbesiedelung kommen. Und damit einhergehend ebenfalls zu Resorptionsschwierigkeiten.
Um herauszufinden, ob es sich tatsächlich eindeutig um eine Unterproduktion handelt, bleibt für die 100%tige Sicherheit nur die Endoskopie / Biopsie. Alternativ bleibt nur: Versuch und Irrtum, also genau beobachten, was Besserung verschafft. Das Alter des Hundes und die Vorgeschichte können bei der Einordnung helfen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich statt zu viel um zu wenig Magensäure handelt, ist höher bei:
- älteren Hunden
- Hunden, die längere Zeit mit Magensäureblockern behandelt wurden
- Hunden, die dauerhaft oder über längere Zeit Schmerzmittel einnehmen
- (Übergewichtige) Hunden mit wenig körperlicher Bewegung
- Hunde mit endokrinen Erkrankungen wie Schilddrüsenunterfunkion oder Morbus Cushing
Leider gibt es auch Faktoren, die sich sowohl in Richtung zuviel wie auch zu wenig Magensäure auswirken können, nämlich z.B. Medikamente, IBD (Inflammatory Bowel Disease) oder Stress. Helfen kann die Aufteilung der Fütterung in mehrere kleine Mahlzeiten und z.B. der gezielte Einsatz von Bitterstoffen in der Fütterung.
Fazit
Ein Magensäureüberschuss wird in der Regel erst dann problematisch, wenn er regelmäßig auftritt. Was Du immer zuerst bei der Ursachenforschung unter die Lupe nehmen solltest, ist die Fütterung. Das betrifft die Futterzusammensetzung genauso wie das Futtermangement, also etwa Fütterungszeiten.
Bei einer akuten Gastritis muss die Fütterung so angepasst werden, dass die Magenschleimhaut geschont wird und die Entzündung abklingen kann.
Außerdem sollte man den Faktor Stress sehr eingehend berücksichtigen.
Entsteht die Übersäuerung aus einer anderen Erkrankung heraus, ist es ratsam, einen Tierheilpraktiker oder Ernährungsberater hinzu zu ziehen.
Manchmal braucht es etwas Zeit, um das Problem in den Griff zu bekommen. Allerdings hat man mit einer angepassten Fütterung, Stressreduktion und gfls naturheilkundlicher Unterstützung gute Chancen, die Beschwerden zu mildern.
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