Gleich eines vorweg: (Spoiler!)
Mit Anpassung der Fütterung bei bestimmten Erkrankungen ist nicht zwingend eine Umstellung auf BARF gemeint. Welche Fütterungsform letztendlich am passendsten ist, das kann man nur individuell beurteilen und entscheiden. Deswegen gibt es im nachfolgenden Text auch keine Pauschal-Empfehlungen. Die Beurteilung der Fütterung und auch die Anpassung an die jeweiligen individuellen Bedürfnisse eines Hundes oder einer Katze sollten im Zweifelsfall von einem darin versierten Ernährungsberater vorgenommen oder unterstützt werden.
Inhaltsverzeichnis
Wie hängen Erkrankungen und Fütterung zusammen?
Der naheliegendste Zusammenhang wäre der direkte: Wenn die Fütterung über einen längeren Zeitraum so „falsch“ ist, dass sie früher oder später eine Erkrankung verursacht.
In der Praxis ist das oft schwer nachzuvollziehen. Denn bis die ersten Symptome einer Erkrankung auftreten, ist meistens schon viel Zeit vergangen und Organschädigungen oder Stoffwechselentgleisungen weit voran geschritten.
Das Ziel ist also, die Fütterung so zu gestalteten, dass das Risiko für Erkrankungen, die in Zusammenhang mit der Ernährung stehen (können), so weit wie möglich gesenkt wird.
Was aber, wenn das Tier bereits krank ist?
Krankheit bedeutet häufig auch: Sich mit der Fütterung auseinanderzusetzen. Vielleicht erneut, vielleicht zum allerersten Mal ganz bewusst. Entweder, weil das unbedingt notwendig ist oder weil man grundsätzlich alle verfügbaren Möglichkeiten ausschöpfen möchte, damit es dem Hund oder der Katze schneller wieder besser geht.
Eine Überprüfung der Fütterung ist ganz allgemein bei den allermeisten Erkrankungen sinnvoll. Manchmal kann man den Verlauf einer Erkrankung zwar nicht direkt beeinflussen, aber man durch eine bestmögliche Fütterung den Körper anderweitig unterstützen.
Denn Nahrung hat an vielen Stellen Einfluss: Auf die Darmflora, auf das Immunsystem, auf Alterungsprozesse. Eine passende Fütterung kann Verdauungstrakt und Entgiftungsorgane entlasten. Sie kann die bestmögliche Nährstoffversorgung gewährleisten und eine optimale Bioverfügbarkeit der Nährstoffe sicherstellen.
So weit, so gut.
Es gibt allerdings Erkrankungen, die zwingend eine Anpassung der Fütterung erforderlich machen. In solchen Fällen hat man keine andere Wahl, weil ohne eine Veränderung der Fütterung die Chancen für den betroffenen Hund oder die betroffene Katze deutlich schlechter sind.
Meistens handelt es sich um Erkrankungen, bei denen einzelne Nahrungsbestandteile gemieden werden müssen, um Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen oder aufzuhalten.
Je eher man sich mit der Fütterung befasst, desto besser
Als Grundsatz gilt: Je früher man damit beginnt, die Fütterung entsprechend den Krankheitsanforderungen zu gestalten, desto besser. Dafür gibt es zwei Gründe.
Zum einen braucht Umstellung der Fütterung etwas Zeit. Nicht immer kann man einfach direkt loslegen, sondern muss schrittweise und langsam vorgehen. Zum Beispiel, wenn der Allgemeinzustand nicht gut ist, mehrere Erkrankungen zusammen kommen oder der Hund / die Katze schon älter ist.
Zum anderen handelt es sich häufig um chronische oder z.T. auch potentiell lebensbedrohliche Erkrankungen, die bereits mit einer längeren Vorgeschichte verbunden sind.
Fütterung ist allerdings niemals ein Allheilmittel. Und, was genauso wichtig ist: Auch wenn die Erkrankung dieselbe ist, sind Verlauf und Symptome bei jedem Tier anders. Deswegen kann die Fütterung für den nierenkranken Hund 1 anders aussehen als für den nierenkranken Hund 2.
Zwar gibt es bei vielen Erkrankungen bestimmte Richtlinien, die die Fütterung erfüllen sollte. Aber im Detail richtet sich die Fütterung auch nach Blutbefunden, Krankheitsstadium, Allgemeinbefinden etc..
Im Gegensatz zu den Erkrankungen, bei denen Diätetik zwingend notwendig ist, ist bei anderen Erkrankungen die Überprüfung und gfls. Anpassung der Fütterung sinnvoll, aber teilweise stark vom Einzelfall abhängig ist. Also eher ist die Rubrik „Kann, muss aber unter Umständen nicht“ fällt.
Beispiele für Erkrankungen, bei denen die Anpassung der Fütterung unumgänglich ist
Allergien / Futtermittelunverträglichkeiten
Klar – wenn nach Fleisch einer bestimmten Tierart massiver Juckreiz auftritt, wenn Getreide immer wiederkehrende Ohrenentzündungen verursacht, dann liegt die Lösung auf der Hand: Diese Futterbestandteile rigoros zu meiden. Allerdings: Auch dann kann es eine Weile dauern, bis die Symptome wirklich vollständig verschwunden sind.
Die Schwierigkeit bei Allergien und Unverträglichkeiten liegt meistens darin, herauszufinden, was genau den Juckreiz, die Hautsymptome oder den Durchfall verursacht. Oft sind es mehrere Futterbestandteile, die diese Reaktionen auslösen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Unverträglichkeiten auch Teil anderer Erkrankungen sein können wie bei einer IBD (Inflammatory Bowel Disease) oder dem eosinophilen Granulom-Komplex bei Katzen.
Nierenerkrankungen (Chronische Niereninsuffizienz)
Hier geht es vor allem darum, den über die Nahrung aufgenommenen Phosphor zu reduzieren. Phosphor wird über die Nieren ausgeschieden. Bei einer Niereninsuffizienz ist das aber nur noch eingeschränkt möglich, weil das Nierengewebe geschädigt ist. Bei einer fortschreitenden Niereninsuffizienz kommt es daher zu einer Erhöhung des Phosphatspiegels.
Völlig phosphorfrei zu füttern ist leider nicht möglich, weil in fast jedem Futterbestandteil auch grössere oder kleinere Mengen Phosphor enthalten sind. Vor allem in tierischen Futterbestandteilen, also Muskelfleisch, Innereien, Bindegewebe, rohen fleischigen Knochen… Der Unterschied ist die jeweils enthaltene Menge. Dass es hilfreich sein könnte, dann eben einfach hauptsächlich Pflanzliches zu füttern, ist allerdings eine Fehleinschätzung. Erst recht bei Katzen.
Denn auch pflanzliche Futterbestandteile sind nicht phosphorfrei. Außerdem ist das im pflanzlichen Gewebe enthaltene Phosphor für Hunde und Katzen schwerer verwertbar. Dazu kommt, dass die ausreichende Proteinversorgung nicht vernachlässigt werden darf, um den Abbau körpereigener Eiweißbausteine zu verhindern. Und zwar mit Protein, das besonders gut genutzt werden kann, ohne die Nieren zusätzlich zu belasten. Und das ist nun mal tierisches Protein.
Trotzdem gibt es Möglichkeiten, die Phosphorzufuhr zu reduzieren und trotzdem eine hochwertige Fütterung anzubieten. Allerdings klappt das am effektivsten, wenn man die Fütterung selbst zusammen stellt (BARF oder selbst gekocht).
Bei Nierenerkrankungen ist die Diätetik notwendig, um das Fortschreiten dieser leider unheilbaren Krankheit so lange wie möglich zu verlangsamen. Ohne entsprechende diätetische Maßnahmen werden auch alle anderen Therapieansätze nicht so wirkungsvoll sein, wie sie sein könnten.
Diabetes mellitus bei Katzen
Diabetes mellitus ist bei Katzen sehr weit verbreitet. Eine typische Zivilisationserkrankung. Verursacht vor allem durch ungeeignete Fütterung und Übergewicht.
Denn Katzen erkranken zu 80-95% an Diabetes Typ 2. Dieser Diabetes-Typ ist das, was man als “ernährungsbedingte Diabetes” kennt. Dass so viele Katzen an Diabetes erkranken, ist nicht weiter verwunderlich – verwunderlich ist eher, dass es nicht noch viel mehr sind. Denn viele Bestandteile eines handelsüblichen Katzenfutters begünstigen die Entstehung: Kohlenhydrate, versteckte Stärke und immer wieder Zucker in unterschiedlichen Varianten.
Es gibt jedoch auch nach der Diagnose Diabetes mellitus Hoffnung: Bei gut eingestellter Insulintherapie und einer Umstellung auf hochwertige, kohlenhydratarme Fütterung hat man eine gute Chance, die Stoffwechselentgleisung rückgängig zu machen und der Katze eine lebenslange Insulintherapie zu ersparen. Direkter kann man die Wechselwirkung von Ernährung und Erkrankung eigentlich kaum verdeutlichen.
Bei Hunden stehen Diabetes-Erkrankungen meistens nicht in Zusammenhang mit der Fütterung, sie erkranken hauptsächlich an einem Diabetes Typ-1. Auch bei Diabetes-Hunden ist es unter Umständen sinnvoll oder notwendig, Veränderungen an der Fütterung vorzunehmen, aber eine Insulin-Therapie ist trotzdem notwendig.
Pankreatitis
Auch bei einer Bauchspeicheldrüsenentzündung führt kein Weg daran vorbei, die Fütterung zu kontrollieren und anzupassen. Eine Pankreatitis entsteht z.B., wenn die Bauchspeicheldrüse “überlastet” ist, bei Hunden am häufigsten durch zu hohe Fettmengen.
Was zu hoch ist, ist allerdings sehr individuell: Während der eine Hund keine Probleme zeigt, nachdem er eine Packung Butter pur gefressen hat, kann bei einem anderen Hund schon ausreichen, wenn das Muskelfleisch deutlich mehr Fett aufweist, als gewohnt.
Aber es können auch andere Faktoren für die Entstehung (mit-)verantwortlich sein: Medikamente wie Cortison und Schmerzmittel, hormonelle Erkrankungen oder Übergewicht.
Bei Katzen sieht die Situation ein wenig anders aus, hier liegen die Ursachen für die Entstehung sehr viel mehr im Dunklen. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich so, dass der Fettgehalt der Fütterung bei Katzen wesentlich weniger ein Problem für den Pankreas ist als bei Hunden.
Eine Entlastung des Pankreas ist trotzdem bei beiden Tierarten notwendig, um eine schnelle Ausheilung zu fördern und ein Wiederauftreten zu vermeiden. In der akuten Phase füttert man gekocht und eher fettarm.
Danach hängt die Gestaltung der Fütterung immer vom Einzelfall ab. In den allermeisten Fällen kann man jedoch nicht ohne weiteres direkt wieder zur ursprünglichen Fütterung zurück gehen. Oft bleiben gewisse Einschränkungen erhalten wie z.B. beim Fettgehalt der Fütterung.
Wichtig:
Diese Übersicht ist nicht vollständig. Es gibt weitaus mehr Erkrankungen, die Einfluss auf die Fütterung nehmen bzw. umgekehrt. Leishmanose gehört unter Umständen genauso dazu, wie Darmerkrankungen, Lebererkrankungen, Schilddrüsenprobleme oder andere hormonelle Erkrankungen. Aber da hängt die Art der Futteranpassung sehr vom der jeweiligen Situation ab. Zum Beispiel davon, ob Medikamente genommen werden müssen und wie die Befunde aussehen.
Erkrankungen, bei denen eine Optimierung der Fütterung sinnvoll ist
Arthrose / Erkrankungen des Bewegungsapparates
Bei Erkrankungen des Bewegungsapparates kann man ebenfalls sehr oft nur indirekt ansetzen. Denn auch die allerbeste Fütterung kann verloren gegangenes Knorpelgewebe oder deformierte Knochen nur in sehr beschränktem Ausmaß rekonstruieren. Bei Erkrankungen des Bewegungsapparates man nutzt die die Fütterung als Baustein, um die bestmögliche Ausgangssituation für weitere Maßnahmen herzustellen.
Deswegen ist auch hier die Anpassung der Fütterung zum Teil etwas, was als “Kann-Option” gesehen wird. Zu Unrecht.
Gestaltet man die Fütterung um bzw. passt sie an der ein oder anderen Stelle an, dann kann sie zur besseren Versorgung (und damit zum Erhalt) des Knorpels beitragen. Immer im Rahmen des anatomisch und physiologisch Möglichen, versteht sich.
Man streicht zum Beispiel alle Futterbestandteile aus der Fütterung, die Entzündungen fördern können. Dadurch kann man indirekt auch zur Schmerzlinderung beitragen – hier sollten aber je nach Erkrankung und Verlauf aber zusätzliche Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Bei (chronischen) Entzündungsherden im Körper besteht außerdem ein höherer Nährstoffbedarf, den es abzudecken gilt.
Die passende Fütterung kann aber vor allem auch die Gesundheit von Knorpeln und Knochen während des Wachstum ganz entscheidend beeinflussen. Denn Faktoren wie ein unpassender Energiegehalt, ein schlechtes Calcium-Phosphor-Verhältnis, zuviel oder zuwenig Calcium und Vitamin D können die Qualität der Knochen und Knorpel ganz erheblich beeinflussen.
Gerade bei mittelgroßen und großen Hunden ist die Fütterung eine wichtige Prophylaxe, um das Risiko von Arthrose und Co. zu verringern. Viele Probleme des Bewegungsapparates würden gar nicht erst entstehen, wenn die Fütterung für Welpen und Junghunde nicht so häufig völlig an den Bedürfnissen vorbei ginge.
Krebserkrankungen
Krebs ist eine der Erkrankungen, bei denen die Frage, ob und inwiefern die Fütterung angepasst werden muss, nicht ganz so eindeutig zu beantworten ist.
Was man sicher sagen kann: Über die Fütterung kann man den Körper und das Immunsystem unterstützen. Man kann z.B. den Verdauungstrakt entlasten, die Regenerationsfähigkeit stärken und helfen, entzündliche Prozesse zu vermindern.
Bei Krebserkrankungen ist es daher in jedem Fall sinnvoll, die Ernährung zu optimieren. Sie hochverdaulich, nährstoff- und enzymreich zu gestalten, arm an Kohlenhydraten und Antinährstoffen.
Aber vieles hängt auch vom Einzelfall ab: Bekommt der Hund eine Chemo- oder Strahlentherapie, Cortison, um welche Krebsart handelt es sich, gibt es Metastasen, wie ist der Allgemeinzustand? Gerade bei Krebserkrankungen gibt es kein Schema F.
Wie viel exakt eine veränderte Fütterung zur Lebensverlängerung oder zur Genesung beiträgt, wird man nie exakt bestimmen können. Und deswegen scheint bei Krebserkrankungen eine Futterumstellung manchmal vordergründig nicht notwendig oder zumindest nicht an erster Stelle zu stehen.
Aber wenn man mit letztendlich sehr wenig Aufwand etwas bewirken kann, dann wäre man unklug, dies nicht zu tun.