Die Frage, ob die Fütterung von Getreide eine DCM bei Hunden begünstigen kann, flammt seit einigen Jahren immer wieder auf.
DCM ist die Abkürzung für Dilatative Kardiomyopathie (Dilated Cardiomyopathy) – eine Herzerkrankung, die vor allem Hunde großer Rassen betrifft. Bei einer DCM ist die Pumpkraft des Herzens herabgesetzt. Das hat gravierende Folgen: Es gelangt weniger Blut in den Blutkreislauf, der Blutdruck sinkt. Dadurch greifen Kompensationsmechanismen: Die Ausscheidung von Flüssigkeit über die Nieren wird deutlich reduziert, dadurch steigt der Blutdruck wieder an. Nur leider erweitert sich durch das so erhöhte Blutvolumen nun das Herz, denn für dieses Volumen ist es eigentlich nicht ausgelegt. Daher spricht man von einer Dilatation. Begleiterscheinung können außerdem Herzrhythmusstörungen sein.
Als Ursache vermutet zum einen eine genetische Prädisposition. Das erklärt, warum bei Rassen wie dem Dobermann oder dem Boxer besonders häufig eine DCM diagnostiziert wird.
Aber auch Medikamente oder Nährstoff- bzw. Resorptionsstörungen, die für einen L-Carnitin- oder Taurinmangel verantwortlich sind, können in der weiteren Folge eine DCM verursachen.
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Begünstigt eine getreidefreie Fütterung eine DCM?
Seit 2018 die FDA (U.S. Food and Drug Administration) damit begann, Fälle von diagnostizierter DCM zu untersuchen, ist die Diskussion über die Ernährung als möglicher Verursacher immer wieder präsent.
Der Grund dafür: Im Fokus der FDA standen Fälle von DCM, die eher untypisch waren. Weil vermehrt kleinere Hunden betroffen waren, und Rassen, die bisher mit DCM nicht in Verbindung gebracht wurden. Auch einige Katzen waren Teil der Untersuchungen, allerdings sehr wenige Fälle (nämlich genau 3 zwischen Dezember 2018 und April 2019). Dazu muss man wissen, dass eine DCM bei Katzen extrem selten vorkommt. Die an die FDA gemeldeten Fälle von DCM bei Hunden betrug 515 zwischen Anfang Januar 2014 bis Ende April 2019, wovon 119 an den Folgen der DCM in diesem Zeitraum verstarben.
Die Gemeinsamkeit dieser Fälle bestand darin, dass viele der Tiere mit getreidefreiem Trockenfutter ernährt wurden und etliche sich wieder erholten, als die Fütterung im weiteren Verlauf umgestellt wurde. Letzteres ist für eine progressiv verlaufende Erkrankung wie der DCM ungewöhnlich, wenn sie nicht auf belegte L-Carnitin oder Taurin-Defizite zurück zu führen ist.
Getreidefreie Fütterung für Hunde und Katzen?
Getreidefrei ist ein beliebtes Kriterium für die Auswahl eines Trockenfutters geworden. Vor allem, weil die noch vor einigen Jahren typischerweise verarbeiteten Getreidesorten wie Weizen oder Hafer im Verdacht stehen, besonders häufig Allergien und Unverträglichkeiten auszulösen. Außerdem scheinen auch z.B. die enthaltenen Lektine unter Umständen negativen Einfluss auf die Darmgesundheit zu haben. Daher wurden diese Getreidearten immer öfter durch Hülsenfrüchte ersetzt. Oft ergänzt durch Kartoffeln, Süsskartoffeln oder Bananen. Denn ohne Getreide und ohne Hülsenfrüchte ist Trockenfutter schwieriger in Pellets zu pressen, die nicht sofort auseinanderkrümeln.
Das Ganze ist aber ein bisschen Augenwischerei, weil auch Leguminosen wie Erbsen oder Linsen zum Teil einen relativ hohen Gehalt an Antinährstoffen wie eben Lektine enthalten. Es sind nur andere als beispielsweise im Weizen. Das Prinzip ist im Großen und Ganzen dasselbe. Aber gutes Marketing hilft ja bekanntlich, auch Dinge in einem strahlenden Licht erscheinen zu lassen, die bei genauerer Betrachtung eben doch einige Schatten aufweisen.
Ist der Zusammenhang von getreidefreiem Futter und DCM belegt?
Trotzdem: Bei Hundehaltern, die ein getreidefreies Trockenfutter füttern, sorgt die Diskussion für Verunsicherung. Insbesondere, weil immer wieder darauf hingewiesen wird, dass ein Zusammenhang zwischen getreidefreiem Futter und DCM eindeutig bewiesen sei.
Besonders, seit Ende 2022 eine Studie veröffentlicht wurde, die belegen soll, dass ein hoher Anteil von Leguminosen im Hundefutter eine DCM definitiv begünstigt.
Schauen wir uns das Ganze also einmal genauer an.
Die genannte Studie bestand aus zwei Gruppen. In Gruppe 1 bekamen die Hunde ein „herkömmliches” Trockenfutter (getreidehaltig, ohne Hülsenfrüchte und Kartoffeln). Die zweite Gruppe erhielt “nicht traditionelles“ Futter ohne Getreide, aber mit Hülsenfrüchten als einem der Haupt-Bestandteile.
In der Studie waren keine Hunde, die mit einer Rassedisposition für DCM in Verbindung gebracht werden. Ausgeschlossen wurden Hunde, die regelmäßig Medikamente einnehmen mussten, bislang roh oder vegetarisch ernährte Hunde sowie Hunde, die Taurin als Futterergänzung erhielten. Vor Studienbeginn fand eine Untersuchung des allgemeinen Gesundheitszustandes statt. Die Hunde wurden abgehört, außerdem fand eine genaue Anamnese des bisherigen Fütterung statt.
Bei den Hunden, die mit dem „getreidefreien“ Trockenfutter gefüttert wurden, zeigten sich öfter Veränderungen von Herzmuskelwerten, die Vorstufe einer DCM sein können. Bei keinem der Hunde entwickelte sich jedoch eine echte DCM. Vielmehr wurden leichte Auffälligkeiten in Bezug auf Herzvolumen und Leistung beobachtet. Dazu gehörte beispielsweise ein Anstieg des Füllvolumens in der linken Herzkammer, systolische Gesamtleistung, wie auch nicht-physiologische Extra-Systolen.
Ja. Jein. Oder doch nicht?
Soweit die Rahmenbedingungen. Bleibt die Frage, wie die Ergebnisse dieser Studie einzuordnen sind. Denn ein zweifelsfreier Beleg dafür, dass Trockenfutter mit einem hohen Leguminosen-Gehalt eindeutige DCM auslösen kann, wäre natürlich ein Gamechanger.
Was in dieser Studie festgestellt werden konnte: Hunde, die mit einem stark Hülsenfrüchte-haltigen Futter ernährt wurden, zeigten leichte Veränderungen in der systolischen Leistung und des Füllvolumens der linken Herzkammer. Die Taurinkonzentration im Blut war bei beiden Gruppen identisch.
Was sehr eindeutig klingt, ist es nur bedingt. Denn es gibt einige Punkte, die auch in der Studie selbst als beachtenswert genannt werden.
Zum einen war die Gruppe der teilnehmenden Hunde recht klein: In jeder Gruppe 23 Hunde, also 46 Hunde insgesamt. Die Studiengrösse wird idR anhand bestimmter Faktoren rechnerisch ermittelt. Genauer: Es wird meist die sogenannte Stichprobengrösse berechnet. Stichproben werden zur Repräsentation einer Gesamtheit genutzt. Es handelt sich dabei um eine ausgewählte Teilmenge, die hochgerechnet und verallgemeinert werden kann. Auf diese Weise versucht man allgemeingültige Aussagen bekommen. Je mehr Tiere, desto genauer die Ergebnisse. Ist die Gruppe zu klein, funktioniert das Prinzip nicht. Hier lag die rechnerisch ermittelte Mindestgrösse bei 21 Hunden in jeder Gruppe. Und trotzdem: Man sollte bei uneingeschränkten Verallgemeinerungen eher zurückhaltend sein.
Die Hunde wurden vor Beginn der Studie nur abgehört, es erfolgten aus Kostengründen keine weiteren Untersuchungen, wie etwa Blutdruckmessung oder spezifizierter Herzschall. Durch die eingeschränkten Untersuchungen bei den teilnehmenden Hunden konnte jedoch nicht sicher ausgeschlossen werden, dass bei diesen Hunden gfls eine beginnende Herzerkrankung vorlag, die zum Zeitpunkt der Studie noch symptomlos bzw. auch bei der später folgenden Untersuchungen im Rahmen der Studie noch nicht auffällig waren.
Fütterung und DCM
In der Studie wurde nicht weiter differenziert, wie sich das Futter genau zusammensetzte, eindeutig genannt wurde nur das Kriterium, dass Hülsenfrüchte einer der Hauptbestandteile sind.
Es gab bereits in der Vergangenheit bereits Hinweise darauf, dass Leguminosen bei übermäßiger Fütterung gfls Auswirkungen auf die Herzgesundheit haben können.
Es ist aber beispielsweise nicht eindeutig belegt (auch nicht durch diese Studie), ab welcher Menge die Wahrscheinlichkeit von Problemen vermutlich steigt.
Was auch bei Betrachtung des Ergebnisses im Hinterkopf behalten werden muss: In der Gruppe der Hunde, die getreidefreies Futter erhielten, waren mehr Rüden als Hündinnen. Das ist insofern von Bedeutung, als das für DCM eine Prädisposition für männliche Tiere vermutet wird.
Zudem handelt es sich um eine sogenannte Querschnittsstudie. D.h., die Ergebnisse stammen aus einer einmalig durchgeführten Untersuchung, Entwicklungsprozesse können dadurch nicht abgebildet werden. Genauere Aufschlüsse geben sogenannte Längsschnittstudien, die mehrfach ausgeführt werden und so nicht nur die Gegebenheiten zu einem einmaligen Zeitpunkt darstellen.
Fazit
Das Fazit: Ja, es gibt Hinweise darauf, dass ein übermäßiger Anteil von Erbsen, Kichererbsen oder Linsen zur Entstehung einer DCM beitragen könnte. Ob das eindeutig so ist und welche Mengen dafür im Durchschnitt ausschlaggebend sind, ist aktuell nicht abschließend geklärt.
Dass kein Hund große Mengen an Hülsenfrüchten benötigt (aber auch nicht an Getreide), sollte klar sein. Dass getreidehaltiges Futter nicht grundsätzlich gut oder schlecht ist, ist auch klar – es kommt beim Fertigfutter wie immer auf die genaue Zusammensetzung an und ob Getreide vertragen wird. „Getreidefrei“ ist daher nicht besser als getreidehaltiges Futter. In der Studie ging es allerdings nur um den Zusammenhang der beiden Komponenten mit der Entstehung einer DCM. Zur Aufklärung kann sie aber aus den genannten Gründen nur bedingt einen Beitrag leisten.
Aber vor allem erübrigt sich die Diskussion eigentlich schon im Ansatz, wenn man nicht um jeden Preis versucht, große Mengen pflanzlicher Futterbestandteile als für Hunde und Katzen artgerecht und unproblematisch darzustellen. Vielleicht geht es eigentlich weniger darum, ob nun getreidefreies oder getreidehaltiges Futter „besser“ ist.
Vielleicht geht es eher darum, sich einzugestehen, dass größere Mengen an Kohlenhydraten bei Hunden eben doch mehr Probleme auslösen können als dass sie nutzen. Vielleicht geht es eher darum, sich klar zu machen, dass wir diese Diskussion gar nicht führen würden, wenn es eine Möglichkeit gäbe, Trockenfutter einfach und günstig ohne große Mengen pflanzlicher Inhaltsstoffe zu produzieren. Vielleicht geht es darum, sich um Basics der Ernährung zu kümmern, um sich nicht in Problemen zu verlieren, die mit passender Fütterung gar nicht auftauchen würden. Just sayin ´.
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