Magendrehung bei Hunden

Magendrehung Fütterung

Es ist Samstag Abend, Du hast Deinen Hund im Auto. Er hechelt. Du fährst schnell, viel zu schnell. Du weisst, wenn jetzt irgendwo eine Bahnschranke nach unten geht, Du einen Trecker vor Dir nicht überholen kannst, Du irgendwo zu lange warten musst, kommt jede Hilfe für Deinen Hund zu spät. Denn Du bist auf dem Weg in die Tierklinik, Dein Hund hat eine Magendrehung.

Vielleicht ist Dir das in dem Moment noch nicht klar, während Du fährst, aber Du weißt, dass etwas ganz fürchterlich falsch ist.


Bei Magendrehungen entscheidet manchmal nur das kleine Quentchen Glück. Ich habe im vorletzten Jahr durch Zufall eine Magendrehung miterlebt und wahrscheinlich wird das zu den Erlebnissen gehören. die noch sehr lange nachhallen. Die dazu führen, dass man den eigenen Hund öfter mal mit Argusaugen beobachtet. 

Auch wenn man genau weiß, dass die Ursachen für eine Magendrehung wahrscheinlich vielfältig sind und auch nicht alle genau bekannt sind. Oft scheint es eine Verkettung mehrerer Umstände zu sein. 

Was ist eine Magendrehung?

Aber fangen wir von vorne an. Bei einer Magendrehung passiert genau das, was der Name vermuten lässt: Der Magen verlässt durch Aufgasung die ursprüngliche Lage, er dreht sich um die Längsachse. Dabei muss er sich nicht vollständig drehen, oft sind es Teildrehungen, die die entsprechenden Symptome auslösen. Durch die Drehung sind Mageneingang und -ausgang blockiert, der Magen gast weiter auf, ohne dass die Gase entweichen können. 

Die Folgen sind verheerend : Blutgefäße können reißen, durch den Druck entstehen Gewebeschäden. Je weiter der Magen aufgast, desto gravierender sind diese Schädigungen. Das Gewebe der Magenwand kann durch den Druck nekrotisch werden („absterben“), dadurch kann der Mageninhalt in die Bauchhöhle gelangen. Auf diese Weise entsteht eine Bauchfellentzündung, die eine zusätzliche Komplikation darstellt.


Jede Magendrehung führt früher oder später zum Schock. Durch die Ausdehnung und Drehung des Magens werden wichtige Blutgefäße abgeschnürt, das Blut gelangt nicht mehr in ausreichender Menge zum Herzen. Dadurch entstehen Herzrhythmusstörungen und der Kreislauf kollabiert.
Die reduzierte Durchblutung führt zu weiteren Gewebeschäden: zum Beispiel an Milz, Lunge oder Pankreas.Der aufgegaste Magen drückt auf die Lunge, die Atmung wird erschwert. Hunde, die eine Magendrehung erleiden, sterben also meistens nicht daran, dass der Magen „platzt“, sondern daran, dass Organe versagen und / oder ein Kreislaufschock einsetzt. 
Das Tückische: Selbst bei einer rechtzeitigen OP (denn die ist bei einer Magendrehung in der Regel unumgänglich), kann noch Stunden später Herzflimmern einsetzen oder der Kreislauf versagen. 


Es besteht aber auch die (leider eher seltene) Möglichkeit, dass der Magen sich spontan zurück dreht. Magendrehungen können sehr unterschiedlich verlaufen, sowohl von den Symptomen als auch zeitlich betrachtet.

Symptome

Leider sind diese Symptome nicht immer ganz eindeutig und unter anderem abhängig davon, wie stark sich der Magen gedreht hat. Die meisten Magendrehungen treten nach einer Fütterung auf, aber die Symptome müssen nicht immer sofort sichtbar sein. Am Auffälligsten ist der angespannte, aufgeblähte Bauch, der relativ schnell und gut sichtbar an Volumen zunehmen kann. Bei Teildrehungen ist das unter Umständen weniger deutlich zu sehen.
Oft versucht der Hund zu würgen oder regurgitiert das zuvor gefressene Futter.  Die Anzeichen von Schmerzen oder eines beginnenden Schocks kommen eventuell hinzu: Speicheln, Unruhe, Hecheln.


Bei dem Fall, den ich miterlebt habe, fing der Hund auf der Gassirunde an, hektisch Grass zu fressen und dann zu würgen.  Ähnlich, wie bei zuviel Magensäure – nichts, was völlig ungewöhnlich wäre. 

Der Hund bewegte sich völlig normal – hier muss man unter Umständen auch bedenken, dass es Rassen und Hunde gibt, die Schmerz erst sehr spät eindeutig anzeigen. Wie auch in diesem Fall: Ausser dem Würgen war zu dem Zeitpunkt nichts Außergewöhnliches zu bemerken. Im Auto fing er dann an, stark zu hecheln und nach Luft zu schnappen. Er bekam offensichtlich schlecht Luft, daher führte der Weg direkt zum Notdienst. Bis dahin war die erschwerte Atmung tatsächlich das einzige Symptom.

Beim Tierarzt angekommen, konnte der Rüde allerdings vor Schmerzen kaum selbstständig laufen. Der Verdacht auf Magendrehung stand sofort im Raum, denn der Bauchbereich war mittlerweile auch sehr angespannt. Auf dem gemachten Röntgenbild war jedoch nur eine teilweise Aufgasung zu erkennen, keine eindeutige Magendrehung. 

Es war dann auch eine sogenannte Teildrehung, die aber trotzdem operiert werden muss.
Es ist zum großen Glück alles glimpflich ausgegangen, der Rüde hat sich auch trotz bereits fortgeschrittenem Alter gut von der OP erholt.

Und trotzdem: In der Situation fühlt man sich unglaublich hilflos, gerade wenn man erlebt, welche Schmerzen der Hund hat, dass er nicht versteht, was passiert und man selbst einfach nichts tun kann.

Was sind die Auslöser für eine Magendrehung?

Man ist sehr lange davon ausgegangen, dass Bewegung der Hauptauslöser von Magendrehungen ist. Vor allem schnelle, intensive Bewegungen nach der Futteraufnahme. Was ja in sich auch erst einmal schlüssig klingt: Wenn der Magen sich um seine eigene Achse schwingt, dann muss ja offensichtlich Bewegung im Speil sein. Und je voller der Magen, desto besser kann er schwingen. 


Mittlerweile deuten zahlreiche Studien darauf hin, dass die Entstehung einer Magendrehung komplexer ist als das.Es gibt offensichtlich unterschiedliche Faktoren, die eine Magendrehung begünstigen oder auslösen können. Meistens scheinen mehrere Punkte zusammen zu kommen, aber was am Ende entscheidend war, weiß man so gut wie nie.


Aus diesem Grund gibt es immer wieder Befragungen von Haltern betroffener Hunde, es gibt Studien, die sich mit den möglichen Auslösern beschäftigen. Auf diese Art und Weise zeichnet sich zumindest nach und nach ein Bild ab. Welche Hunde besonders häufig betroffen sind, wann Magendrehungen am häufigsten auftreten oder welche Rolle die Fütterung spielt. Was leider nicht bedeutet, dass man Magendrehungen grundsätzlich vermeiden kann, wenn man die Faktoren kennt. Denn auf einige kann man unter Umständen Einfluss nehmen, auf andere weniger bis gar nicht.

Prädisposition: Größe und Alter

Was ziemlich eindeutig ist: Große Hunde erleiden häufiger eine Magendrehung als kleine Rassen, das Risiko ist bei älteren Hunden größer als bei jüngeren.

Dabei geht es nur bedingt um die Rasse, wobei Magendrehungen bei einigen Hunderassen offenbar öfter auftreten als bei anderen. Es spielt wahrscheinlich weniger eine genetische Disposition eine Rolle, sondern eher der Körperbau inkl. der Körperhöhe.

Bei Rassen mit tiefem Brustkorb im Verhältnis zu eher geringer Brustkorbweite wie es beispielsweise bei Dänischen Doggen der Fall ist, treten Magendrehungen häufiger auf. Genauso bei Hunden, deren Körperhöhe überhalb von 60 cm liegt. Bei kleinen Rassen und Zwergrassen werden Magendrehungen tatsächlich kaum beschrieben.


Je älter ein (großer) Hund wird, desto wahrscheinlicher wird leider eine Magendrehung. Die meisten Hunde mit einer Magendrehung sind über sieben Jahre alt, wobei es auch hier Ausnahmen gibt. Wahrscheinlich ist dies bedingt durch die im Alter nachlassende Festigkeit der Bänder, die den Magen in seiner Position halten.

Andere Faktoren: Es gibt viele Vermutungen

Alter und Größe eines Hundes gelten als relativ gesicherte Prädispositionen. Aber es gibt Hinweise, dass dies nicht die alleinigen Faktoren sind. Alles, was in irgendeiner Form Einfluss auf die Magenmortilität hat, scheint für Magendrehungen von Bedeutung zu sein.

Futter

Nehmen wir zuerst das Naheliegendste, die Fütterung. In den meisten Untersuchungen und Befragungen zu Magendrehungen wurden die betroffenen Hunde mit Trockenfutter ernährt. Jetzt ist es natürlich so, dass Trockenfutter wohl auch die häufigste Fütterungsform ist. Es ist streng genommen also schwer zu sagen, ob Trockenfutter tatsächlich direkten Einfluss auf die Entstehung einer Magendrehung hat oder aber ob diese Häufung der Fälle rein statistisch mit der Häufigkeit dieser Fütterungsart zu erklären ist.


Wenn man es aber genauer betrachtet, scheint ein Zusammenhang zwischen Trockenfutter und Magendrehung durchaus naheliegend: Trockenfutter weist oft eine niedrigere Verdaulichkeit auf als andere Futterungsformen. Je mehr pflanzliche Anteile, desto länger die Verdauungszeit und desto größer die Wahrscheinlichkeit der Gasbildung. Dazu kommt: Vor allem die extrudierten Trockenfutter quellen im Verdauungstrakt stark auf. Allerdings muss man fairerweise dazu sagen, dass ein eindeutiger Zusammenhalt zwischen Magen-Entleerungsdauer (Achtung: In Bezug auf den Magen, nicht auf die Verweildauer im Darm!) und Trockenfutter bei Hunden bis jetzt nicht in Studien gezeigt werden konnte. 


In einzelnen Studien gab es Hinweise darauf, dass Hunde, die abwechslungsreich gefüttert wurden, weniger häufig von einer Magendrehung betroffen waren als Hunde, die kontinuierlich mit einer einzigen Futterart bzw. immer demselben Trockenfutter gefüttert wurde. (Elwood et. al., 1998)
Einfluss scheint jedoch nicht nur die Fütterung selbst zu haben, sondern auch die Größe der Portionen. Offensichtlich haben Hunde, die nur einmal am Tag gefüttert werden, ein größeres Risiko für Magendrehungen.Bevor Du aber jetzt die Fütterung umstellst, weil Du nur einmal Tag fütterst: Das ist offensichtlich nur einer von vielen Faktoren. Es gibt auch durchaus Gründe, nur einmal pro Tag zu füttern. Was für Deinen Hund am besten passt, ist also absolut individuell.

Bakterien

Bakterien können bei der Entstehung von Magendrehungen auf mehreren Ebenen von Bedeutung sein. 
Zum einen die bakterielle Belastung des Futters. Physiologisch findet man eine sehr geringe Bakterienbesiedlung im Magen, erst mit der Nahrung gelangen Bakterien in größeren Mengen dorthin. Wenn allerdings beispielsweise die Magensäurebildung im Magen geringer ist als normal (auch das ist bei älteren Hunden wahrscheinlicher), dann steigt das Risiko, dass Nahrung im Magen anfängt zu „gären“ und Bakterien sich als stärker vermehren können. In diesen Fällen können besonders auch gasbildende Bakterien aktiv werden, die den Magen aufblähen.


Dieses Problem kann auch dann entstehen, wenn zwar die Magensäure ausreichend gebildet wird, gleichzeitig aber die Keimbelastung des Futters sehr hoch ist. Deswegen ist es keine gute Idee, stark angegangenes Fleisch oder vergorenes Getreide / Obst in größeren Mengen zu verfüttern. Natürlich kann das 100 x gut gehen. Aber da bei Magendrehungen wahrscheinlich die Kombination unterschiedlicher Auslöser ursächlich ist, muss man bei einer entsprechenden Disposition wie einem älteren, großen Hund das Glück auch nicht herausfordern.

Genauso macht es durchaus Sinn, Näpfe regelmäßig zu säubern und ein Material wie Emaille oder Keramik zu wählen. Das Material ist weniger anfällig für Mikrorisse, in denen sich Keime bilden können. Eigentlich ist das selbstverständlich, genauso wie eine normale Hygiene beim BARFen. Aber da sich Mythen wie „Angegammeltes Fleisch ist gut für die Darmflora“ sehr hartnäckig halten, sei es an dieser Stelle noch einmal erwähnt.


Bei Hunden, die eine Magendrehung erlitten, hat man teilweise auch eine Verschiebung in der natürlichen bakteriellen Besiedlung des Darmflora, also eine Dysbakterie. Dabei wurden vor allem das Vorkommen von gasbildenden Bakterien untersucht, wie Clostridien. Das bedeutet allerdings nicht, dass Dein Hund automatisch ein erhöhtes Risiko für eine Magendrehung hat, wenn ein Kotbefund vermehrte Clostridien anzeigt. Kotuntersuchungen müssen immer im Kontext mit Symptomen und der Vorgeschichte gesehen werden. 

Luft abschlucken 

Je mehr Luft im Magen landet, desto ungünstiger. Deswegen hat man lange auch die erhöhte Fütterung als Prophylaxe gegen Magendrehungen empfohlen. Mittlerweile gibt es allerdings Hinweise darauf, dass dies nicht zutrifft und sogar eher das Gegenteil der Fall sein könnte: Nämlich dass dabei eher mehr Luft abgeschluckt wird.

Sonstige Beobachtungen 

Es gibt in Zusammenhang mit Magendrehungen etliche Beobachtungen, die aber oft eher nicht als direkte Auslöser in Frage kommen bzw. die weiter untersucht werden müssten.
So treten Magendrehungen beispielsweise gehäuft abends auf und im Sommer  häufiger als im Winter. Warum das so ist, ist bislang nicht eindeutig geklärt.


Außerdem treten die Symptome meistens zuerst in Ruhe auf. Das heißt aber weder zwingend, dass Magendrehungen immer in Ruhe geschehen, genausowenig, wie sie unter Umständen mit Bewegung in Zusammenhang stehen.  Denn die Symptome treten unter Umständen nicht sofort auf, sondern erst, wenn die Aufgasung des Magens schmerzhaft für den Hund wird. Deswegen ist der eigentliche Zeitpunkt der Magendrehung manchmal gar nicht genau bestimmbar, sondern nur der Zeitpunkt der ersten Symptome. Dadurch ist dann auch besondere Eile geboten. 


Außerdem scheint es einen Zusammenhang zwischen Magendrehungen und chronischen Magen-Darm-Problemen zu geben. Hier wären unterschiedliche Erklärungen denkbar: Zum Beispiel zu wenig Magensäure, wodurch sich bestimmte Bakterien (schneller) vermehren können. 

Aber chronische Magen-Darm-Erkrankungen werden häufig auch in Verbindung mit Stress in Verbindung gebracht.
Chronischer bzw. auch akuter, heftiger Stress scheinen unter anderem Einfluss auf die Bewegungen von Magen und Darm zu nehmen. Ähnliches wird auch bei Magendrehungen vermutet, denn viele Halter berichten, dass ihr Hund am Tag der Magendrehung oder kurz zuvor größerem Stress ausgesetzt war. 

Einige Studien bringen auch den Charakter eines Hundes in Verbindung mit Magendrehungen. Danach hätten eher ruhigere sowie ängstliche, nervöse Hunde gfls eine höheres Risiko. Oder umgekehrt: Ein lebhafter, wesensfester Hund wäre weniger gefährdet.


Auch Licky Fits (Leckanfälle) werden öfter als Vorboten von Magendrehungen beschrieben. Hier könnte die abgeschluckte Luft während dieser Anfälle ein Auslöser sein.

Fazit

Es wäre schön, wenn man einfach durch strikte Ruhe nach der Fütterung Magendrehungen verhindern könnte. Aber das, was man lange als die einzige Ursache je für Magendrehungen angenommen hat, ist offenbar nur ein Puzzleteil bei der Suche nach den kausalen Zusammenhängen. Auf einige kann man Einfluss nehmen, wie etwa das Fütterungsmanagement und die Fütterung. Hier zeigt sich allerdings auch sehr deutlich, dass der Hund eben kein Pflanzenfresser ist und der Magen-Darm-Trakt nun einmal nicht ideal für die Verwertung von pflanzlicher Nahrung ausgelegt ist. 

Mit anderen Risikofaktoren wie etwa der Größe eines Hundes, dem Charakter oder dem Alter muss man leben. Es ist auch leider unmöglich, den Hund vor jeder Stresssituation zu bewahren. Und andere mögliche Ursachen her wiederum sind zu schlecht erforscht, um aktiv Vorsorge treffen zu können.